Bild 1: E-Fahrzeug an einer Ladesäule der Ladebetriebsart 3

Dieser Fachartikel befasst sich mit den erforderlichen Vorkehrungen und Maßnahmen zum Fehlerstromschutz bei der leitungsgebundenen Versorgung von elektrischen Straßenfahrzeugen mit elektrischer Energie. Allgemeine Anforderungen zum Laden von Elektrofahrzeugen bis einschließlich 1000 V AC und 1500 V DC sind in der Norm DIN EN IEC 61851-1 (Konduktive Ladesysteme für Elektrofahrzeuge) aufgeführt.

Die Norm DIN EN IEC 61851-1 unterscheidet zwischen vier Ladebetriebsarten, die weiter unten näher erläutert werden (Bild 1). Am weitesten verbreitet sind derzeit wechselspannungsbasierte Ladebetriebsarten. Vorkehrungen und Maßnahmen zum Fehlerstromschutz bei ­Ladungen mit Gleichspannung werden hier daher nicht näher erläutert.

Relevante Errichtungsbestimmungen in Bezug auf den Fehlerstromschutz

Um die Übersicht nicht zu verlieren, werden im Weiteren nur Errichtungsbestimmungen und Produktnormen genannt, die zur Erläuterung des Fehlerstromschutzes in diesem Fachartikel hilfreich sind. Trotz gemeinsamer internationaler Normung gibt es z. T. erheblich abweichende nationale Anforderungen, auch was den Fehlerstromschutz betrifft. Dieser Fachartikel beschränkt sich nur auf Anforderungen in Deutschland. Im Folgenden wird für den Begriff Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) nur die Abkürzung RCD verwendet.

Der Oberbegriff Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) kennzeichnet eine Gruppe von Schaltgeräten, die bei Forderung der Schutzmaßnahme »Automatische Abschaltung der Stromversorgung« verwendet werden dürfen. Hierzu zählen Fehlerstromschutzschalter mit oder ohne integriertem Überstromschutz (RCCBs oder RCBOs) sowie für industrielle Einsatzzwecke auch CBRs (Leistungsschalter mit Fehlerstromschutz) und MRCDs (Modulare Fehlerstromgeräte).

DIN VDE 0100-410

Unter dem Titel »Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 4-41: Schutzmaßnahmen – Schutz gegen elektrischen Schlag« behandelt diese Norm den Schutz gegen elek­trischen Schlag, wie er in elektrischen Anlagen im Allgemeinen anzuwenden ist. Sie sollte daher im Wesentlichen bekannt sein. Wie in vielen Bereichen elektrischer Anlagen spielt die Schutzmaßnahme »Automatische Abschaltung der Stromversorgung« nach Abschnitt 411 auch in der Elektromobilität eine wichtige Rolle. Die Vorkehrungen zum Fehlerschutz werden dabei durch einen Schutzpotentialausgleich über die Haupterdungsschiene und eine automatische Abschaltung im Fehlerfall realisiert. Körper von Betriebsmitteln (z. B. Gehäuse aus Metall von Betriebsmitteln der Schutzklasse 1) müssen mit einem Schutzleiter niederimpedant verbunden sein.

Die Vorkehrung »Automatische Abschaltung im Fehlerfall« bewirkt, dass im Falle eines Fehlers mit vernachlässigbarer Impedanz zwischen einem Außenleiter und dem Körper eines Betriebsmittels (oder einem Schutzleiter des Stromkreises) die elektrische Versorgung zu den Außenleitern innerhalb einer geforderten Abschaltzeit automatisch unterbrochen wird. Eine hierzu verwendete Schutzeinrichtung muss zum Trennen geeignet sein. In TN-, TT- und IT-Systemen können in Abhängigkeit des Schleifenwiderstandes Überstrom-Schutzeinrichtungen (z. B. Leitungsschutzschalter) oder RCDs (z. B. Fehlerstromschutzschalter) verwendet werden, da sie zum Trennen geeignet sind. Üblicherweise werden die geforderten Abschaltzeiten auch bei Verwendung kurzzeitverzögerter oder selektiver RCDs eingehalten.

Bild 2: Ausführungsbeispiel eines Fehlerstromschutzschalters (RCCB) des Typs A

Im Weiteren ist im Abschnitt zur Schutzmaßnahme »Automatische Abschaltung der Stromversorgung« vorgesehen, dass eine RCD mit ­einem Bemessungsdifferenzstrom ≤ 30 mA u. a. vorgesehen werden muss für Steckdosen in Endstromkreisen mit einem Bemessungsstrom ≤ 32 A, die für die Benutzung durch Laien und zur allgemeinen Verwendung bestimmt sind. Wird nun ein Elektrofahrzeug an einer Steckdose geladen, können verschiedene Szenarien vorliegen. Ist diese Steckdose Teil einer modernen und dem aktuellen Stand der Technik entsprechenden elektrischen Anlage, ist davon auszugehen, dass der Stromkreis mit dieser Steckdose durch eine vorgeschaltete RCD mit einem Bemessungsdifferenzstrom ≤ 30 mA in der Festinstallation geschützt ist. Diese RCD muss in Deutschland mindestens vom Typ A sein. Ist die Steckdose hingegen Teil einer veralteten und nicht dem aktuellen Stand der Technik entsprechenden elektrischen Anlage, muss davon ausgegangen werden, dass der Stromkreis mit dieser Steck­dose nicht durch eine vorgeschaltete RCD in der Festinstallation geschützt ist.

Beim Laden von Elektrofahrzeugen können im Fehlerfall neben Wechselfehlerströmen mit Frequenzanteilen ungleich der Netzfrequenz (50 Hz) auch glatte Gleichfehlerströme auftreten, die von einer möglicherweise in der Festinstallation vorhandenen RCD vom Typ A nicht erfasst werden. Dazu aber weiter unten mehr.

An dieser Stelle sollte auch die Norm DIN EN 61140 (Schutz gegen elektrischen Schlag – Gemeinsame Anforderungen für Anlagen und Betriebsmittel) nicht unerwähnt bleiben. Sie enthält grundsätzliche Anforderungen an den Schutz gegen elektrischen Schlag sowohl für die Errichtung elektrischer Anlagen als auch für elektrische Betriebsmittel. Die Anforderungen aus der DIN VDE 0100-410 basieren größtenteils auf den Anforderungen aus der DIN EN 61140.

DIN VDE 0100-530

Unter dem Titel »Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 530: Auswahl und Errichtung elektrischer Betriebsmittel – Schalt- und Steuergeräte« führt die Norm im Abschnitt 531 Einrichtungen zum Schutz gegen elektrischen Schlag zur Realisierung der Schutzmaßnahme »Automatische Abschaltung der Stromversorgung« nach Abschnitt 411 von DIN VDE 0100-410 auf. Neben Überstrom-Schutzeinrichtungen können hierzu auch RCDs verwendet werden, da ­diese zum Trennen geeignet sind. Das Schaltwerk mit den Schaltkontakten einer RCD verfügt über zur Trennung erforderliche Kriech- und Luftstrecken. Zudem sind die Schaltkontakte so ausgelegt, dass sie die im Kurzschlussfall auftretenden hohen Ströme sicher einschalten, führen und trennen können. Schütze und Relais werden in diesem Abschnitt nicht genannt und sind nicht zur Realisierung der Schutzmaßnahme »Automatische Abschaltung der Stromversorgung« vorgesehen, da sie üblicherweise nicht zum Trennen geeignet sind. Die verschiedenen Typen von RCDs in Bezug auf die Auslösecharakteristik sind im Abschnitt 531.3.3 aufgeführt.

Einsatz von RCDs des Typs A

Diese RCDs werden in Deutschland hauptsächlich verwendet (Bild 2). Sie erfassen Wechselfehlerströme und pulsierende Gleichfehlerströme ihrer Bemessungsfrequenz (50 Hz) bei Überlagerung eines glatten Gleichfehlerstroms von maximal 6 mA. Ist der Anteil des glatten Gleichfehlerstroms größer als 6 mA, führt dieses zu einer magnetischen Sättigung des Summenstromwandlers. Die RCD vom Typ A wird dadurch in ihrer Funktion erheblich beeinträchtigt. Erhöhte Auslöseschwellen sind die Folge, bis hin zur Nichtauslösung. Eine mögliche magnetische Sättigung ist allerdings reversibel. Sinkt der Anteil des glatten Gleichfehlerstroms wieder unterhalb von 6 mA, funktioniert die RCD vom Typ A wieder einwandfrei.

Nicht für Neuanlagen: RCDs des Typs AC

Diese Art der RCDs sind in Deutschland nicht mehr zulässig. Dennoch muss davon ausgegangen werden, dass diese noch in älteren elektrischen Anlagen vorhanden sind. Auch RCDs vom Typ AC werden durch Überlagerung mit einem glatten Gleichfehlerstrom in ihrer Funktion beeinträchtigt.

Speziell: RCDs des Typs F

Diese Geräte sind seit einigen Jahren am Markt verfügbar. Bei ihnen ist die Erfassung von Fehlerströmen des Typs A auch dann sichergestellt, wenn im Fehlerstrom zusätzliche Frequenzanteile vorhanden sind, die von der Bemessungsfrequenz (50 Hz) abweichen. Solche Anteile können im Fehlerfall bei Verwendung von einphasig betriebenen elektronischen Betriebsmitteln auftreten. Das können beispielsweise Betriebsmittel mit Wechsel- oder Frequenzumrichtern ohne PFC und ohne Hochsetzsteller im DC-Zwischenkreis sein. Dadurch, dass die Spannung im DC-Zwischenkreis nicht größer ist als der Scheitelwert der Netzspannung (325 V = 230 V •√2), kann im Fehlerfall kein Anteil mit glattem Gleichfehlerstrom erzeugt werden. Fre­quenz­anteile im Fehlerstrom, die von der Bemessungsfrequenz (50 Hz) abweichen, können durch die Schaltfrequenz (meist mehrere kHz) des Umrichters generiert werden. Wenn jedoch eine PFC oder ein Hochsetzsteller im DC-Zwischenkreis vorhanden ist, dann liegt die Gleichspannung im DC-Zwischenkreis üblicherweise oberhalb des Scheitelwertes der Netzspannung.

Die Ladegleichspannung der Akkumulatoren von Elektrofahrzeugen kann durchaus 800 V betragen. Bei einem Fehler gegen Erde (bzw. gegen PE) im DC-Umfeld der Ladeeinrichtung ist im Fehlerstrom ein glatter Gleichfehlerstrom mit hohem Anteil vorhanden. In diesem Fall darf eine RCD vom Typ F nicht verwendet werden. Bei RCDs des Typs F darf der Anteil eines überlagerten glatten Gleichfehlerstroms maximal 10 mA betragen. Größere Werte führen wie auch beim Typ A zur Beeinträchtigung der Funktion. Eine mögliche magnetische Sättigung des Summenstromwandlers ist allerdings auch hier reversibel. Sinkt der Anteil des glatten Gleichfehlerstroms wieder unterhalb von 10 mA, funktioniert die Typ-F-RCD wieder einwandfrei.

Allstromsensitive RCDs des Typ B

Bild 3: Ausführungsbeispiel eines Fehlerstromschutzschalters des Typs B+

Diese RCDs erfassen neben den Fehlerströmen vom Typ F auch zuverlässig glatte Gleichfehlerströme und durch vorgegebene Auslösegrenzkurven definiert auch Wechselfehlerströme bis mindestens 1 kHz. Je nach Hersteller können Wechselfehlerströme bis 150 kHz zuverlässig erfasst werden. Die Schaltfrequenzen von elektronischen Betriebsmitteln wie z. B. Frequenzumrichtern liegen typischerweise im Bereich von einigen kHz bis 20 kHz. Die Oberschwingungen der Schaltfrequenz können noch deutlich darüber liegen. Im Fehlerfall können diese Frequenzanteile durchaus einen erheblichen Anteil des Gesamtfehlerstromes aufweisen.

In Deutschland dürfen beim Auftreten von glatten Gleichfehlerströmen neben allstromsensitiven RCDs des Typs B auch solche des Typs B+ verwendet werden (Bild 3). Diese verfügen über einen definierten Auslösefrequenzgang bis 20 kHz.

Abschließend noch ein wichtiger Hinweis: Die Fehlerstromerfassung von RCDs der ­Typen AC, A und F funktioniert hilfsspannungsunabhängig. Nach dem bekannten Induktionsprinzip können glatte Gleichfehlerströme daher nicht erfasst und somit auch nicht bewertet werden. Sie tragen daher auch nicht zur Auslösung bei. Im Gegenteil: Diese bewirken eine einseitige Magnetisierung des Summenstromwandlers und können bei hohen Werten sogar zur Nichtauslösung führen. RCDs der Typen AC, A und F dürfen ­daher maximal mit einem glatten Gleichfehlerstrom von 6 mA bzw. 10 mA zusätzlich zu einem vorhandenen Wechsel- oder Pulsfehlerstrom beaufschlagt werden. Genau anders ist es bei allstromsensitiven RCDs der Typen B und B+. Diese weisen neben einer hilfsspannungsunabhängigen Fehlerstromerfassung auch eine hilfsspannungsabhängige Fehlerstromerfassung auf, die dazu ausgelegt ist, glatte Gleichfehlerströme zu erfassen und auch zu bewerten, so dass diese auch zur Auslösung beitragen. Geeignete Einrichtungen zum Fehlerstromschutz beim Laden von Elektrofahrzeugen werden im Weiteren näher erläutert.

DIN VDE 0100-722

Die Norm trägt den Titel »Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 722: Anforderungen für Betriebsstätten, Räume und Anlagen besonderer Art – Stromversorgung von Elektrofahrzeugen«. Beim Laden von Elek­trofahrzeugen muss neben den schon genannten Teilen 410 (insbesondere Abschnitt 411) und 530 (insbesondere Abschnitt 531) auch der Teil 722 der Reihe VDE 0100 beachtet werden. Die Ladebetriebsart 3 nach DIN EN IEC 61851-1 (siehe weiter unten) beschreibt eine Ladung in der Festinstallation. Die nachfolgend genannten Abschnitte sind daher zu berücksichtigen.

Im Abschnitt 722.411 zur Schutzmaßnahme »Automatische Abschaltung der Stromversorgung« ist vorgesehen, dass zur Realisierung des Fehlerschutzes jeder Anschlusspunkt (Steckvorrichtung) mit einer eigenen RCD mit einem Bemessungsdifferenzstrom ≤ 30 mA geschützt sein muss. Im Abschnitt 722.531 zu »Einrichtungen zum Schutz gegen elektrischen Schlag durch automatische Abschaltung der Stromversorgung« wird nun konkretisiert, dass diese RCD mindestens vom Typ A sein muss. In der Norm DIN EN 62196 sind Anforderungen für zur Ladung von Elektrofahrzeugen vorgesehenen Steckvorrichtungen aufgeführt. Diese Steckvorrichtungen ermöglichen sowohl eine einphasige als auch mehrphasige Ladung. Verfügt nun eine Ladestation über eine ­solche Steckvorrichtung, dann wird im Abschnitt 722.531.3.101 davon ausgegangen, dass im Fehlerfall auch glatte Gleich­fehlerströme fließen können. Entsprechende Vorkehrungen gegen glatte Gleichfehlerströme müssen vorgesehen werden. Als Schutzvorkehrungen werden daher die Verwendung einer RCD vom Typ B oder die ­Verwendung einer RCD vom Typ A in Verbindung mit einer Fehlergleichstrom-Detektionseinrichtung (RDC-DD) nach IEC 62955 gefordert.

Die im Abschnitt 722.531.3.101 genannten Schutzvorkehrungen gegen glatte Gleichfehlerströme sollen somit zur Realisierung des Fehlerschutzes der Schutzmaßnahme »Automatische Abschaltung der Stromversorgung« (Abschnitt 411 von DIN VDE 0100-410) verwendet werden. Die genannten Schutzvorkehrungen können dabei Bestandteil der Festinstallation (z. B. im Installationsverteiler eines Wohnhauses) oder einer fest angeschlossenen Ladestation sein. Fehlergleichstrom-Detektionseinrichtungen (RDC-DDs) nach IEC 62955 erfassen glatte Gleichfehlerströme und bewirken eine Abschaltung, wenn diese größer als 6 mA sind. Gemäß ihrer Produktnorm IEC 62955 sind sie nur dazu vorgesehen, eine in der Fest­installation vorgeschaltete RCD vom Typ A oder Typ F zu schützen, so dass diese bei ­einem gleichzeitig auftretenden Wechsel­fehlerstrom im selben oder in einem anderen Stromkreis nicht in ihrer Funktion beeinträchtig wird.

Autor

Dipl.-Ing. (FH) Günter Grünebast, Doepke Schaltgeräte GmbH, Norden

Eine etwas ausführlichere Version des Fachbeitrags findet sich unter: https://www.elektro.net/119915/fehlerstromschutz-in-der-elektromobilitaet-1/

Quelle und Bildquelle: www.elektro.net