Bild 1: Beispielhafte Installation eines SPD Typ 2 (links) im anlagenseitigen Anschlussraum – dabei darf die maximal zulässige Länge der Anschlussleitungen nicht überschritten werden

Seit Oktober 2016 sind in neuen, modernisierten oder erweiterten Niederspannungsanlagen Vorkehrungen zum Schutz bei transienten Überspannungen vorgeschrieben. Dies bedingt den Einbau einer Überspannungs-Schutzeinrichtung. Doch welcher Ableitertyp ist der richtige? Und wie wird er installiert? Dieser Beitrag fasst die wichtigsten Anforderungen zusammen und stellt Lösungen für die Praxis vor.

Nach DIN VDE 0100-100:2009-06 müssen Personen, Nutztiere und Sachwerte grundsätzlich gegen Schäden durch Überspannungen geschützt sein, die als Folge von atmosphärischen Einwirkungen oder von Schaltüberspannungen entstehen. In DIN VDE 0100-443:2016-10 wird diese Forderung konkretisiert.

Durch die Installation geeigneter Überspannungs-Schutzeinrichtungen (normativ abgekürzt mit SPD, Surge Protective Device) soll ein Isolationsversagen und somit eine gefährliche Funkenbildung mit Brandgefahr verhindert werden. Zu diesem Zweck ist nach DIN VDE 0100-534:2016-10 immer mindestens ein Überspannungsschutz am Speisepunkt der Niederspannungsanlage zu errichten. Das ist der Ort, an dem das Niederspannungskabel in die bauliche Anlage eingeführt wird – oder der elektrische Hauptverteiler. Die erforderliche Leistungsfähigkeit dieses SPDs hinsichtlich des Ableitvermögens ergibt sich unter anderem aus der Ausführung der Energieversorgung und dem eventuellen Vorhandensein eines äußeren Blitzschutzes.

Gebäude ohne äußeren Blitzschutz mit Erdkabeleinspeisung

Bild 2: Errichtung eines Kombiableiters (rechts) im netzseitigen Anschlussraum des Zählerplatzes mit zusätzlicher Verbindung zur Haupterdungsschiene

Die Mehrzahl aller Wohn- und Zweckbauten hat kein äußeres Blitzschutzsystem und auch keine Freileitungseinspeisung, in die der Blitz einschlagen könnte. Daher ist am Speisepunkt der Niederspannungsanlage nicht mit hohen anteiligen Blitzströmen zu rechnen. Der nach DIN VDE 0100-534:2016-10 mindestens ­geforderte SPD Typ 2 reicht für diese Gebäudetypen daher aus. Ein blitzstromtragfähiger SPD Typ 1 oder ein sogenannter Kombiableiter vom Typ 1+2 oder Typ 1+2+3 ist zulässig, aber nicht erforderlich. Errichtet wird dieser Überspannungsschutz Typ 2 in der Regel oberhalb des Zählers im anlagenseitigen Anschlussraum (AAR) des Zählerplatzes.

Nach der aktuellen VDE-AR-N 4100:2019-04 »Technische Anschlussregeln Niederspannung« ist dieser AAR ausdrücklich für den Einbau von SPDs freigegeben. Prüfungen im Hochstromlabor haben gezeigt, dass auch ein elektronischer Zähler (eHz) ausreichend geschützt ist, obwohl der Überspannungsschutz formal erst kurz nach dem Zähler errichtet wird. Das gilt sogar für Anlagen mit mehr als einem Zählerplatz. Da der Einbau im nicht-plombierten Teil der Anlage erfolgt, eignet sich dieser Installationsort auch gut für die Nachrüstung. Diese Überspannungs-Schutzeinrichtung muss einen Nennableitstoßstrom von mindestens 40 kA (8/20 µs) aufweisen. Die Leitungen vom Außenleiter zum SPD müssen ­einen Querschnitt von mindestens 2,5 mm² Kupfer haben. Für die Leitung vom SPD zur Schutzleiterklemme ist ein Querschnitt von mindestens 6 mm² Kupfer erforderlich.

Eine zusätzliche Verbindung mit der Haupterdungsschiene verbessert aufgrund der Stromaufteilung den tatsächlichen Schutzpegel, ist aber normativ nicht gefordert. Die Summe der Leitungslängen zwischen dem Anschlusspunkt an den Außenleiter und dem Anschlusspunkt an den Schutzleiter darf 0,5 m nicht überschreiten.

Für diesen Anwendungsfall hat Phoenix Contact das SPD Typ 2 mit der Bezeichnung »VAL-SEC-T2-350-3S/40« entwickelt (Bild 1). Bei Betriebssicherungen bis einschließlich 315 A gG ist keine separate Vorsicherung notwendig. Mit 48 mm Baubreite nimmt es weniger als 3 TE in Anspruch – und spart gegenüber anderen steckbaren SPDs ­circa. 35 % Platz auf der Tragschiene. Es ist zudem universell in TN-S- und in TT-Systemen einsetzbar. Durch die Nähe zu den Hauptleitungsabzweigklemmen sind Leitungslängen unter 0,5 m problemlos möglich.

Gebäude mit Freileitungseinspeisung ohne äußeren Blitzschutz

Bild 3: Die Installation eines SPD Typ 1 im Hauptstromversorgungssystem – in einem separaten Gehäuse direkt am Hausanschlusskasten

Weil man hier mit direkten Blitzeinschlägen in das Versorgungssystem rechnen muss, ist am Speisepunkt der Anlage ein blitzstromtragfähiger SPD Typ 1 vorgeschrieben. Das gilt nicht nur bei Einspeisung über Dachständer, sondern auch, wenn die Versorgungsleitung zwischen dem letzten Mast der Freileitung und der baulichen Anlage als Erdkabel ausgeführt ist. Das Mindestableitvermögen für diese Überspannungs-Schutzeinrichtung ist mit 20 kA (10/350 µs) beim Einsatz in TN-S- oder TT-Systemen angegeben. Laut VDE-AR-N 4100:2019-04 sollte die Installation vorzugsweise im oder in der Nähe des Zählerplatzes erfolgen, zum Beispiel auf dem Sammelschienensystem im netzseitigen Anschlussraum (NAR). Bei Gebäuden mit Dachständer wird der Einbau eines weiteren SPD Typ 1 am Eintrittsort der Versorgungsleitung in die bauliche Anlage empfohlen.

Da die Errichtung in beiden Fällen im Hauptstrom-Versorgungssystem erfolgt, sind weitere technische Anforderungen aus VDE-AR-N 4100 einzuhalten. Die Schutzschaltung muss zum Beispiel aus Funkenstrecken bestehen. Parallel geschaltete Varistoren sind nicht zulässig. Nach DIN VDE 0100-534:2016-10 ist diese Überspannungs-Schutzeinrichtung nicht nur auf kürzestem Weg mit dem lokalen Schutzleiter zu verbinden, sondern zusätzlich auch mit der Haupterdungsschiene. Der Mindestquerschnitt der Anschlussleitungen zwischen den Außenleitern und dem SPD muss 6 mm² Kupfer aufweisen. Die Leitung vom SPD zum Schutzleiter und zur Haupterdungsschiene muss einen blitzstromtragfähigen Querschnitt von mindestens 16 mm² Kupfer haben. Auch hier gilt, dass die Summe der Anschlussleitungen zwischen den Außenleitern und dem lokalen Schutzleiter eine Länge von 0,5 m nicht überschreiten sollte.

Der Kombiableiter »FLT-SEC-ZP« erfüllt alle Anforderungen für den Einsatz im Hauptstromversorgungssystem. Da er direkt auf das Sammelschienensystem im NAR aufgerastet wird, gibt es keine Anschlussleitungen, deren Länge zu berücksichtigen wäre. Das vereinfacht Planung und Montage. ­Lediglich die zusätzliche Verbindung mit der Haupterdungsschiene muss mit mindestens 16 mm² Kupfer hergestellt werden (Bild 2).

Gebäude mit äußerem Blitzschutz

Bild 4: Eine anwendungsoptimierte Lösung für leistungsstarke Niederspannungsanlagen durch eine SPD Typ 1 mit integrierter Vorsicherung

Bei Gebäuden mit einem äußeren Blitzschutz müssen zusätzlich die Normen der Reihe DIN EN 62305, Teil 1 bis 4 (VDE 0185-305) berücksichtigt werden. Unter anderem ist am Gebäudeeintritt mit geeigneten SPDs ein Blitzschutz-Potentialausgleich für alle eingeführten Leitungen auszuführen. Abhängig von der Blitzschutzklasse des Blitzschutzsystems muss die SPD für das Niederspannungssystem einen Blitzstrom von mindestens 50 kA (10/350 µs) bis 100 kA (10/350 µs) beherrschen. Ansonsten gelten hinsichtlich Installationsort und -bedingungen die gleichen Rahmenbedingungen wie bei Gebäuden mit Freileitungseinspeisung. Die Errichtung kann ebenfalls im netzseitigen Anschlussraum oder in einem separaten Gehäuse unmittelbar am Hausanschlusskasten (HAK) erfolgen.

Für beide Installationsorte gibt es anschlussfertige Lösungen. Der »FLT-SEC-P-T1« für die klassische Tragschienenmontage eignet sich auch für Blitzschutzsysteme der Klasse I. In Niederspannungsanlagen mit Betriebsströmen bis 315 A ist keine separate Vorsicherung erforderlich (Bild 3).

Für Niederspannungsanlagen mit Betriebsströmen über 315 A stehen SPDs mit integrierter Vorsicherung zur Verfügung. Der steckbare »FLT-SEC-Hybrid« ermöglicht einen platzsparenden Aufbau unter Einhaltung der erlaubten Leitungslängen, da man auf eine zusätzliche Sicherung in der Stichleitung vor dem SPD verzichten kann (Bild 4).

Weitere Überspannungs-Schutzeinrichtungen

Ein umfassender Schutz im Hinblick auf den Funktionserhalt aller Betriebsmittel, die mit dem Niederspannungssystem verbunden sind, kann mit dem verpflichtenden Überspannungsschutz am Speisepunkt der Anlage nicht erreicht werden. Dazu sind weitere SPDs erforderlich, da nach DIN VDE 0100-534:2016-10 der wirksame Schutzbereich ­einer Überspannungs-Schutzeinrichtung nur 10 m beträgt – für die Leitungslänge zwischen SPD und Betriebsmittel. Sollen Betriebsmittel geschützt werden, die mehr als 10 m vom SPD am Speisepunkt entfernt sind, muss man weitere SPDs Typ 2 oder Typ 3 in der unmittelbaren Nähe des Betriebsmittels installieren.

Bei Gebäuden mit einem Blitzschutzsystem müssen darüber hinaus alle Leitungen an den Blitzschutzzonen-Übergängen mit SPDs in den Potentialausgleich einbezogen werden. Auch Daten- und Telekommunikationsleitungen sollten mindestens am Gebäudeeintritt mit SPDs versehen sein.

Die wichtigsten Normen – auf einen Blick

  • DIN VDE 0100-443 – beschreibt, wann Überspannungsschutz vorgesehen werden muss
  • DIN VDE 0100-534 – legt fest, wo und wie Überspannungsschutz einzubauen ist
  • VDE-AR-N 4100 – liefert ergänzende Informationen zum Einbau von SPDs am Speisepunkt aus Sicht der Versorgungsnetzbetreiber
  • DIN EN 62305-1…4 – macht Vorgaben zur Errichtung von Blitzschutzsystemen

Autor

Dipl.-Ing. Axel Rüther, Vertriebsmarketing Elektronik, Phoenix Contact Deutschland GmbH, Blomberg

Quelle und Bildquelle: www.elektro.net