Bild 1: Alte Schaltanlagen erhalten per Retrofit von SZM einen neuen Leistungsschalter; hier ein Projektingenieur von SZM bei der Maßaufnahme eines alten Schalters; Quelle: SZM

Kommt eine Schaltanlage in die Jahre, stellt sich zwangsläufig die Frage nach ihrer Zukunft. Wenn baugleiche Ersatzteile des Herstellers nicht mehr verfügbar sind, scheint es zunächst unumgänglich, eine neue Anlage anzuschaffen. Stattdessen ist jedoch auch ein Retrofit möglich: Dabei wird die Anlage mit moderner Technik nachgerüstet, ohne dass sie komplett ersetzt werden muss.

Leistungsschalter dienen in einer Schaltanlage vor allem dazu, Betriebsmittel oder Anlagen zu schalten, die einen erhöhten Anlaufstrom (größer als der Bemessungsstrom) benötigen. Im Fehlerfall sind nur sie in der Lage, hohe Kurzschlussströme auszuschalten und verhindern damit kostspielige Schäden an Maschinen und Anlagen. Da sie nach der Auslösung keine Ersatzteile benötigen und entsprechend schnell wieder einschaltbereit sind, haben sich Leistungsschalter besonders in der Energieverteilung etabliert. In der Mittelspannung werden sie etwa zur abgesicherten Verteilung von Energie und bei der Sicherung von Transformatoren oder Generatoren eingesetzt, da sie im Stör­fall zuverlässig und innerhalb weniger Millisekunden reagieren. Im Niederspannungsbereich dienen Kompakt- oder offene Leistungsschalter als Haupt-, Leitungsschutz- und Motorschutzschalter.

Weil sie für eine gewisse Zeit auch Überlastströme und Kurzschlussströme aushalten und jederzeit sicher schalten müssen, stellen Leistungsschalter das Herzstück der Schaltanlage dar. Zeigen sie Verschleißerscheinungen oder sind keine Ersatzteile mehr verfügbar, ist ein Austausch der Schaltanlage daher naheliegend. Neben den hohen Kosten hat dies jedoch weitere Probleme zur Folge: lange Lieferzeiten, etwaige Umbaumaßnahmen, Produktionsstillstände und – falls sich mit der neuen Anlage die Bedienung ändert – Umschulungen des Personals. Auch unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit sollte der Austausch einer noch funktionsfähigen Schaltanlage vermieden werden.

Vorteile für Budget und Klimabilanz

Bild 2: SZM stellt neben Modernisierungslösungen für alte Schaltanlagen auch z. B. Antriebe und Lasttrennschalter her; hier ein Blick in die Produktion der Schublasttrennschalter C3 (ehemals ABB / Calor Emag); Quelle: SZM

Gegenüber dem Austausch von Bestandsanlagen ist ein Retrofit oftmals eine sinnvolle Alternative. Dabei werden lediglich die ausfallgefährdeten oder veralteten Bauteile ausgetauscht, bei Schaltanlagen in der Nieder- und Mittelspannung ist das in der Regel der Leistungsschalter. Die Anlage als solche bleibt aber bestehen – Aufbau, Bedienung, Gehäuse und Anschlüsse ändern sich nicht. Hersteller von Schaltanlagen bieten hier meist passgenaue Dienstleistungen an, wie etwa das Programm »Ecofit« von Schneider Electric. Schaltanlagen-Spezialisten wie das sächsische Unternehmen SZM haben jedoch auch herstellerunabhängige Lösungen für eine Vielzahl verschiedener Schaltanlagen entwickelt (Bild 1). SZM steht für Schaltanlagen Zubehör Bad Muskau. Aus dem Schaltgeräte-Fachunternehmen in Sachsen hat sich SZM zu einem Spezialisten für Energieanlagen entwickelt und betreut Kunden vom Schaltgerät über Schaltanlagen und Netzstationen bis hin zu Transformatoren. Für das Retrofit von Schaltanlagen in der Nieder- und Mittelspannung hat SZM über 300 Modernisierungs-Lösungen im Portfolio – unabhängig vom Fabrikat (Bild 2). Seit 2021 ist SZM zertifizierter Eco­xpert-Master-Partner von Schneider Electric.

Gegenüber der Entsorgung von Bestandsanlagen und anschließender Neuanschaffung bietet ein Retrofit einige Vorteile. Zunächst ist es deutlich günstiger, nur den Leistungsschalter und nicht die gesamte Schaltanlage zu ersetzen. Ein Retrofit ist zudem skalierbar: Betreiber können einzelne Komponenten einer Anlage nacheinander austauschen und müssen nicht das gesamte Budget auf einmal investieren. Wird der Austauschprozess vorausschauend geplant, gibt es nur kurze Stillstandszeiten. Personalumschulungen, wie sie bei einer neuen Schaltanlage häufig nötig sind, sowie bauliche Maßnahmen zur Einpassung entfallen ebenfalls. Zudem entstehen kaum Entsorgungskosten für das alte Equipment. Vielmehr erhöht sich die Lebensdauer der Anlage um bis zu 30 Jahre. Es fallen weniger Instandhaltungsmaßnahmen an und die Ersatzteilverfügbarkeit für das neue Gerät ist langfristig gewährleistet. Ein Retrofit ist also eine echte Alternative zum Austausch der gesamten Anlage.
Ablauf eines Retrofits

Bild 3: Der Austausch eines alten Leistungsschalters gegen ein aktuelles Modell dauert rund zweieinhalb Stunden; Quelle: Schneider Electric

Nach einer unverbindlichen Aufnahme der Bestandsanlage erarbeiten die Spezialisten eine auf die individuellen Anforderungen zugeschnittene Retrofit-Lösung und können dabei auf ein Portfolio von über 300 Modernisierungslösungen zurückgreifen – unabhängig vom Hersteller der Bestandsanlage. Entscheidend sind dabei der Aufbau der Schaltanlage sowie die genaue Funktion des auszutauschenden Gerätes.

Der Austausch eines Niederspannungs-Leistungsschalters im Rahmen eines Retrofits ist mit einem geringen Aufwand verbunden, daher bestehen gute Möglichkeiten zur herstellerunabhängigen Modernisierung. Das einfache Stecksystem (Kassetteneinschubtechnik) von Kompaktleistungsschaltern ermöglicht es, ältere Modelle von Merlin Gerin, Moeller, ABB Sace, AEG, Siemens oder Mitsubishi durch ein neues Gerät wie den »Masterpact MTZ« von Schneider Electric zu ersetzen (Bild 3). Ein solches Retrofit dauert durchschnittlich zweieinhalb Stunden. Handelt es sich beim Altgerät um den »Masterpact M«, ist sogar ein Austausch in nur einer halben Stunde möglich, da das neue Gerät in das bestehende Gehäuse passt.

Der neue Niederspannungs-Leistungsschalter wird über die integrierte Ethernet-Schnittstelle mit dem Steuerungssystem verbunden; selbst bei offenen Leistungsschaltern, deren Austausch etwas mehr Aufwand bedeutet, muss nichts an der Sammelschiene verändert werden. Der Betreiber profitiert direkt im Anschluss von zusätzlichen Funk­tionen, etwa dem Auslösesystem für alle Schutzarten, das mit digitalen Modulen jederzeit frei konfigurierbar ist, oder der integrierten Messfähigkeit nach Genauigkeitsklasse 1 für aktive Leistungs- und Energiemessung. Da das Konstruktionsprinzip unverändert bleibt, ist auch keine erneute Zertifizierung nach IEC 61439 erforderlich.

Bei Mittelspannungsschaltanlagen bedeutet ein Retrofit mehr Aufwand. Denn neben der komplexen, meist individuellen Konzeption der ursprünglichen Schaltanlage müssen auch zahlreiche sekundäre Faktoren wie maximale Umgebungstemperaturen oder andere Umgebungsbedingungen berücksichtigt werden. Aber auch in der Mittelspannung können vorhandene Leistungsschalter verschiedener Fabrikate durch ein aktuelles Modell ersetzt werden.

Retrofits als Teil der Digitalisierung der Energieversorgung

Ein Retrofit bietet also die Möglichkeit, eine in die Jahre gekommene Schaltanlage mit ­einem neuen Leistungsschalter wieder langfristig fit zu machen. Anschaffungs- und Entsorgungskosten eines Anlagenaustausches entfallen und die Betriebsabläufe ändern sich nicht. Oft bringen die neuen Leistungsschalter außerdem zusätzliche Funktionen mit, welche die Energieeffizienz und Sicherheit der Anlage weiter erhöhen. Temperatur- und Feuchtigkeitssensoren etwa erlauben die frühzeitige Identifikation potenzieller Störungen, wenn beispielsweise ein leitendes Bauteil zu warm wird oder die Abdichtung der Anlage gegen eindringende Feuchtigkeit beschädigt ist. Da diese Sensoren IoT-fähig sind, können die von ihnen erhobenen Daten zudem in eine Energiemonitoring-Software eingepflegt werden, wo sie zum Beispiel einen Alarm auslösen und eine Überprüfung der Anlage veranlassen. Diese Art von vorausschauender Wartung verhindert längere Betriebsausfälle.

Außerdem entstehen mit dem neuen Gerät Automatisierungsoptionen, etwa durch einen nachrüstbaren elektrischen Antrieb für den Schalter. Eine Bedienung aus der Nähe ohne direkte Berührung mittels des elektrischen Schalterantriebs, etwa über eine Software auf dem Tablet, erhöht den Personenschutz. Alternativ ist mit dem elektrischen Antrieb auch eine Fernsteuerung und Fernüberwachung umsetzbar, die Wartungs- und Personalkosten reduziert. Zusätzlich wird das Servicepersonal mit Echtzeit-Geräte­daten ausgestattet, welche eine schnelle Untersuchung ermöglichen und durch datengestützte Analysen proaktiv auf kritische Werte hinweisen.

Autoren

  • Martin Haas, Offer Manager Power Services bei Schneider Electric GmbH
  • Oliver Petzer, Retrofit-Experte und Betriebsleiter bei SZM GmbH

Quelle und Bildquelle: www.elektro.net