Praxisfrage:

Wir haben FI-LS-Schutzschalter des Herstellers Gaciamit der Typbezeichnung PL8HT aus Görlitz Logistikcentrum bezogen. Der Verkäufer ist laut Rechnung eine Firma aus Polen. Das CE-Kennzeichen und die Bezeichnung RCBO sind auf der Verpackung aufgedruckt, eine CE-Zertifikat liegt vor. Außerdem ist auch die Norm IEC61009-1 aufgedruckt. Somit muss ich als Handwerksmeister davon ausgehen, dass das Produkt auf Grund des CE-Kennzeichen mit Zertifikat in Europa bzw. auch Deutschland verwendet werden darf. Bei unserer Prüfungen auf Prüfstand und Einsatzort zeigten sich keinerlei Mängel. Ein Sachverständiger teilte uns nun mit, dass trotz des CE-Kennzeichen, diese FI-LS in Deutschland nicht zugelassen seien. Dies ist für uns kaum nachvollziehbar, denn das CE-Zertifikat steht für zugelassene Produkte in der gesamten EU und RCBO ist eine internationale Bezeichnung. Eine Aufdruck nach IEC61009-1 Norm bekräftigt meine Annahme. Somit sehe ich nach meinem Dafürhalten kein Verwendungsverbot für Deutschland, zumindest ist es für mich nicht ersichtlich.

Meine Frage: Darf ein Produkt – obwohl CE-gekennzeichnet und zertifiziert – in Deutschland nicht betrieben bzw. der Betrieb verboten werden? Dürfen derartige Produkte in Deutschland in Verkehr gebracht werden? In dem Gutachten eines Sachverständigen wird auf die Harmonisierung der EU-Gesetzgebung hingewiesen.

Expertenantwort

Was steckt hinter den Herstellerangaben

Bild 1: RCBO Gacia PL8HT mit Verpackung

Bei dem von Ihnen genannten Schutzschalter handelt es sich um einen zweipoligen (1P+N) Fehlerstromschutzschalter mit eingebautem Überstromschutz (RCBO) mit der Überstrom-Auslösecharakteristik B sowie einem Bemessungsstrom von 16 A und einem Bemessungsdifferenzstrom von 30 mA. Nach Recherchen im Internet wird der RCBO mit der Herstellerbezeichnung Gacia in zwei verschiedenen Ausführungen unter derselben Produktbezeichnung PL8HT angeboten. Eine erste Ausführung weist einen grünen Schaltknebel und eine grüne mit dem Gehäuse bündig angeordnete Prüftaste auf. Das ist die Ausführung, die auch von Ihnen verwendet wird (Bild 1). Eine zweite Ausführung hat einen blauen Schaltknebel und eine orange überstehende Prüftaste.

Gacia Electrical Appliance Co. Ltd. ist ein Hersteller u. a. von Niederspannungs-Schaltgeräten mit Sitz in Wenzhou, China. Beim Besuch der Internetseite des Herstellers stellt man jedoch fest, dass ein Produkt mit der Bezeichnung PL8HT dort nicht gelistet ist. Es stellt sich daher die Frage, ob dieses Produkt tatsächlich vom Hersteller Gacia hergestellt wird, bzw. wurde oder ob es sich möglicherweise um eine Produktfälschung handelt, da zumal auch zwei unterschiedliche Ausführungen mit derselben Bezeichnung bei verschiedenen Internet-Händlern vorwiegend aus dem osteuropäischen Raum verfügbar sind.

Fehlerstrom-Auslösecharakteristik

Bild 2: Zeichen für Fehlerstrom-Auslösecharakteristik Typ AC (links) und Typ A (rechts)

Das Produkt in der ersten Ausführung (Grün) weist selbst keine Kennzeichnung in Bezug auf die Fehlerstrom-Auslösecharakteristik auf (Bild 2). Auf der Verpackung steht zusammenhanglos »A type«. Gemäß der Produktnorm EN 61009-1 bzw. IEC 61009-1 im Abschnitt 6 muss das Produkt mit dem Zeichen der Auslösecharakteristik so gekennzeichnet sein, dass das Zeichen im installierten Zustand sichtbar ist. Das ist hier jedoch nicht der Fall, denn es ist gar kein Zeichen vorhanden. Auf verschiedenen Internetseiten, wo dieses Produkt zum Verkauf angeboten wird, gibt es den Hinweis, dass RCBOs vom Typ AC in Deutschland nicht verwendet werden dürfen. Es liegt also die Vermutung nahe, dass es sich hierbei nicht um einen RCBO vom Typ A sondern vom Typ AC handelt.

Das Produkt in der zweiten Ausführung (Blau / Orange) trägt auf der Vorderseite, also im installierten Zustand sichtbar, das Zeichen für die Fehlerstrom-Auslösecharakteristik vom Typ A. Verwirrend ist jedoch, dass bei mehreren Anbietern im Internet das Produkt in der Artikelbeschreibung oder im Datenblatt als Typ AC beschrieben wird.

Gerät mit Netzspannungsabhängigkeit

Beide Ausführungen des Produkts sind auf der Seite mit einem Blockschaltbild versehen. Auf beiden Schaltbildern ist gut erkennbar, dass die Fehlerstrom-Auswerteeinheit, dargestellt in Form eines Rechtecks mit Verstärkersymbol, mit dem Außenleiter und dem Neutralleiter verbunden ist (Bild 3). Das bedeutet, dass es sich hierbei um einen netzspannungsabhängigen RCBO handelt. Beide Ausführungen sind mit der Norm IEC 61009-1 gekennzeichnet. Die von Ihnen beigefügte CE-Erklärung des Importeurs nennt die EN 61009-1.

Anforderungen nach DIN VDE 0100-530 in Deutschland

Bild 3: Schaltbild des Herstellers, aufgedruckt auf dem Gerätegehäuse

Nach der Errichtungsbestimmung DIN VDE 0100-530 (Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 530: Auswahl und Errichtung elektrischer Betriebsmittel – Schalt- und Steuergeräte) ist nach Abschnitt 531.3.3 die Verwendung von Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) des Typs AC in Deutschland nicht zugelassen.

Des Weiteren gilt nach Abschnitt 531.3.4 für Wechselstromanlagen, bei denen Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) für Laien, Kinder oder behinderte Personen zugänglich sind, dass diese als RCBO ausgeführt mit den Produktnormen DIN EN 61009-1 (VDE 0664-20) und DIN EN 61009-2-1 (VDE 0664-21) übereinstimmen müssen. Die DIN EN 61009-2-1 gilt für netzspannungsunabhängige Fehlerstromschutzschalter mit eingebautem Überstromschutz (RCBOs). Beide oben genannten Ausführungen des RCBO mit der Bezeichnung PL8HT funktionieren jedoch netzspannungsabhängig. In der CE-Erklärung ist die Europäische Ausgabe der zuvor genannten Norm als EN 61009-2-1 auch nicht aufgeführt.

Besondere nationale Bedingungen

Die Verwendung von netzspannungsabhängigen RCBOs mit der Fehlerstrom-Auslösecharakteristik vom Typ AC ist in der EU generell nicht verboten. Dennoch gilt es, entsprechende besondere nationale Bedingungen zu beachten. Besondere nationale Bedingungen sind nationale Eigenschaften oder gängige Praxis, die selbst innerhalb eines längeren Zeitraums nicht geändert werden können, z. B. aufgrund klimatischer Bedingungen oder elektrischer Erdungsbedingungen. Nationale Zusätze sind in den Deutschen Normen grau schattiert ausgeführt und verbindlich (normativ). In anderen Ländern sind sie informativ. Umgekehrt ist es mit besonderen nationalen Bedingungen anderer Länder. Diese sind in Deutschland nicht normativ, sondern nur informativ und müssen somit nicht angewendet werden. Die besonderen nationalen Bedingungen aller CENELEC-Länder sind in den Normen im Anhang ZA genannt.

Wichtige besondere nationale Bedingungen in Deutschland, wie z. B. die unzulässige Verwendung von RCDs vom Typ AC, sind beispielsweise aus einer der grundlegendsten Errichtungsbestimmungen, der DIN VDE 0100-530, seit vielen Jahren bekannt.

Zusammenfassung

Bei der von Ihnen verwendeten Ausführung des RCBOs mit grünem Schaltknebel und grüner Prüftaste vom Hersteller Gacia mit der Bezeichnung PL8HT fehlt das normativ erforderliche Zeichen der Fehlerstrom-Auslösecharakteristik. Des Weiteren fehlen nach der Produktnorm EN 61009-1 auch die erforderlichen Angaben auf dem Produkt zum Bemessungsschaltvermögen und zur Energiebegrenzungsklasse. Aufgrund der fehlenden Angaben und des Zeichens besteht keine Konformität und eine CE-Kennzeichnung ist nicht zulässig. Wie bereits in einem Sachverständigen-Gutachten festgestellt wurde, fehlt das CE-Kennzeichen ohnehin auf dem Produkt selbst. In Deutschland sind RCDs vom Typ AC nicht zugelassen. RCDs müssen zudem netzspannungsunabhängig funktionieren, wenn sie von elektrotechnischen Laien bedient werden. Die Verwendung des zuvor genannten Produkts ist aus mehreren Gründen somit in Deutschland definitiv nicht zulässig.

Ich kann immer wieder nur dazu ermutigen, Produkte von namhaften Herstellern zu verwenden. Gerne wird bei Schutzschaltgeräten und anderen Erzeugnissen der Installationstechnik durch die Verwendung von Produkten mit fragwürdiger Herkunft versucht, auf Kosten der Sicherheit zu sparen. Wenn es zu Komplikationen oder gar zu Unfällen kommt, ist das Geschrei jedoch groß.

Autor

Günter Grünebast, Autor der Rubrik Praxisprobleme; verantwortlich für Normung und Prüfung sowie stellvertretender Entwicklungsleiter bei der Firma Doepke Schaltgeräte, Norden.

Quelle und Bildquelle: www.elektro.net