Viele Kommunen leiden unter den hohen Energiekosten, tun sich angesichts knapper Kassen aber ­dennoch schwer mit Investitionen in Energieeffizienzmaßnahmen wie eine weitgehend automatisierte Gebäudetechnik.

Bild 1: Beim Erweiterungsbau der Grund- und Gemeinschaftsschule sorgt eine KNX-basierte Steuerung für einen energieeffizienten Betrieb; Quelle: christoph/alt fotografie Elmshorn

Dass das auch mit einem knappen Budget machbar ist, beweist ein Erweiterungsbau der Schule in Hirrlingen. Multi-Sensoren und eine klug programmierte Automation sorgen für den sparsamen Einsatz von Energie und zugleich für ein kindgerechtes Wohlfühlklima.

Im Herbst 2022 konnte die Grund- und Gemeinschaftsschule von Hirrlingen im Landkreis Tübingen einen 775 m² umfassenden Erweiterungsbau einweihen (Bild 1). Trotz Pandemie und deren Auswirkungen wurde der Schulbau im geplanten Zeitraum errichtet und war sogar 2 % günstiger als geplant. Er bietet neben drei Klassenräumen auch vier Räume zur Kernzeitbetreuung.

Architekt Frank Schillinger vom Büro Schillinger Architekten aus Rottenburg, der ihm Rahmen eines Wettbewerbs die Gemeinde vom Entwurf seines Büros überzeugen konnte, schildert die Anforderungen: »Aus unserer Sicht sollte sich der Erweiterungsbau in die kleinteilige Dorfstruktur einfügen, mit dem vorhandenen Raum auskommen und Erweiterungspotenzial bieten«. So entstand eine L-förmige Gebäudeform mit einer Terrasse, die die Möglichkeit zur Aufstockung für zwei weitere Klassenräume bietet (Bild 2).

 

Freundliche Atmosphäre

Bild 2: Die L-förmige Gebäudeform mit einer Terrasse bietet die Möglichkeit, in Zukunft zwei weitere Klassenräume aufzustocken

Architekt Schillinger legte Wert auf eine freundliche, warme Atmosphäre: »Wenn Sechsjährige zum ersten Mal ihre neue Schule betreten, sind sie aufgeregt oder haben eventuell Versagensängste«, beschreibt er die Situation aus Kinderperspektive. »Mit warmen Materialien und einer ruhigen Akustik kann der Übergang in einen neuen Lebensraum behutsam und motivierend geschehen. Solche ersten Eindrücke bleiben hängen

Trotz des Kostendrucks, dem alle öffent­lichen Gebäude unterliegen, gelang es Schillinger, Akzente zu setzen. Farbgebung und Materialien sollen an einen Laubwald zu ­verschiedenen Jahreszeiten erinnern (Bild 3). Schallabsorbierende Decken, zum Teil mit einer offenen, raumhaltigen Dachform, sorgen für ­eine ruhige Akustik und ein ­großzügiges Raumerlebnis. Eine Besonderheit ist unter anderem der Boden aus ­massiven Eichendielen, einem ungewöhnlichen Belag für eine Schule, aber auf lange Sicht wirtschaftlich. Er lässt sich mehrfach abschleifen, während ein Boden aus Gummi oder Kautschuk komplett ausgewechselt ­werden muss. Das überzeugte auch eine ­Gemeinde wie Hirrlingen mit gerade einmal 3000 Einwohnern, für die so ein Bau ein ­finanzieller Kraftakt ist. Luxus und Spielereien wären hier fehl am Platz, aber in eine solide, langlebige Bausubstanz investierte man gern.

Passend zur nachhaltigen Architektur nutzte Schillinger auch bei der Gebäudetechnik alle Möglichkeiten, um Energie zu sparen. Neben einer Steuerung für Beleuchtung und Beschattung gehört dazu auch eine Lüftungsanlage. Sie bietet vor allem in der kalten Jahreszeit erhebliche Vorteile. Die Luftqualität in den Zimmern bleibt auch ohne regelmäßiges Stoßlüften hoch. Die Lüftung springt an, wenn der CO2-Gehalt im Klassenzimmer einen vorgegebenen Wert übersteigt. Gleichzeitig lässt sich durch Wärmerückgewinnung sehr viel Energie einsparen. Eine PV-Anlage auf dem Dach erzeugt in der Regel mehr Energie, als die Lüftungsanlage benötigt. Der Überschuss geht in den Altbau. Dadurch entfallen Batteriespeicher oder aufwendige Verfahren zur Einspeisung in das öffentliche Netz.

Gebäudeautomation wörtlich genommen

Bild 3: Farbgebung und Materialien sollen an einen Laubwald zu verschiedenen Jahreszeiten erinnern

»Wenn die Lehrkraft ins Zimmer kommt, unterwegs noch ein paar Nachzügler eingesammelt hat, die Klasse auf die Stühle bringen muss und den Unterricht beginnen will, kann sie nicht auch noch Zeit damit verbringen, die Lüftung und die Jalousien zu bedienen«, beschreibt Schillinger den Schulalltag. »Alle Beteiligten haben sich sehr viel Mühe gegeben, die Gebäudeautomation so zu gestalten, dass die Nutzer nicht eingreifen müssen. Wenn bei so vielen Personen jeder irgendetwas schaltet, funktioniert das nicht. Wir hatten schon Vortragsräume an Instituten, bei denen die Anwender mit drei Lichtszenarien überfordert waren. Wenn die Automatik möglichst viel regelt, sorge ich für Entlastung und habe die höchste Energieverbrauchseffizienz..

Die Automatisierung sollte die Beleuchtung, die Beschattung sowie die Lüftung der Klassenzimmer und der Toiletten umfassen. Mit der Installation und Programmierung der Anlage wurde die Firma Elektro-Zug aus dem nahegelegenen Rottenburg am Neckar beauftragt. Der langjährige Mitarbeiter und Teilhaber Lorenz Hoch betreute das Projekt. Er kümmerte sich auch um die Auswahl der Komponenten und fand bei Theben eine passende Lösung.

Ein Anschluss, zwei Melder

Bild 4: Präsenzmelder »thePassa« eignen sich mit einem Erfassungsbereich von 5 m x 30 m gut für Flure

Auf der Suche nach der passenden Sensorik, sprach Lorenz Hoch die Firma Theben an. Der Vertriebsbeauftragte von Theben, Holger Wagner, schlug ihm die passenden Produkte vor: »Wir haben vor Ort die verschiedenen Positionen für die Präsenzmelder besprochen. Dabei stellte sich heraus, dass in den Zimmern auch die Luftgüte gemessen werden sollte. Dafür bot sich natürlich unser Multisensor an.«. Dieser KNX-Multisensor  besteht aus einem Passiv-Infrarot-Präsenzmelder mit quadratischem Erfassungsbereich und einem Raumluftsensor, der die CO2-Konzentration, die relative Feuchtigkeit, die Temperatur und den Luftdruck erfasst.

Dieser ringförmige Sensor dient zugleich als Sockel, auf dem der Präsenzmelder montiert wird. Das ist auch nachträglich möglich. In der Kombination bilden die Sensoren zwei Busteilnehmer, benötigen aber nur einen KNX-Anschluss – eine Lösung, die auch Schillinger gefällt: »Als Architekt möchte ich am liebsten eine ruhige Decke ganz ohne Melder«, weist er auf die ästhetischen Aspekte hin. »Mit so einem multifunktionalen Sensor können wir den Raum schöner gestalten. Da verbauen wir uns nicht die ganze Decke.«

Diesen gestalterischen Anforderungen kommen die Sensoren von Theben auch an anderer Stelle entgegen, wie Wagner erläutert: »In den Fluren sind unsere Präsenzmelder thePassa installiert. Das Design gleicht dem thePrema, aber der Erfassungsbereich beträgt 5 m x 30 m. Damit kann ich einen langen Flur mit nur einem Melder erfassen. Das bedeutet weniger Auslässe, geringerer Installationsaufwand und ein ruhiges Deckenbild« (Bild 4). Präsenzmelder und Sensoren für Luftfeuchtigkeit in den Sanitärbereichen ergänzen die Anlage.

Automation lässt sich manuell über­stimmen

Schillinger legte größten Wert darauf, dass die Technik so weit wie möglich automatisch arbeitet, die Anwender aber nicht bevormundet. So lassen sich Beleuchtung und Beschattung unabhängig von der Automatik jederzeit manuell regeln, wenn etwa der Raum für eine Filmvorführung dunkel bleiben muss oder zum Wachwerden die volle Morgensonne ins Zimmer scheinen soll. Mit der KNX-Sensorik ließ sich auch dies ohne Einschränkungen umsetzen, wie Hoch berichtet: »Wir hatten anfangs etwas Probleme mit dem manuellen Übersteuern. Dazu wollten wir den Sensor sperren. Aber wann und wie soll er wieder entsperrt werden? Die Lösung: Der Multisensor lässt sich so parametrieren, dass man ihn ganz einfach direkt übersteuern kann. Er erkennt den manuellen Befehl und sendet dann keine Steuerbefehle mehr, solange er Präsenz erfasst. Jedes Präsenzsignal startet eine einstellbare Nachlaufzeit. Wir haben sie auf 20 min gesetzt. Erst wenn diese abgelaufen ist, geht der Melder zurück auf Automatik.«

Automatikbetrieb an jedem Tag im Jahr

Die Steuerung sorgt aber nicht nur dafür, dass vergessene Leuchten nach kurzer Zeit ausgeschaltet werden, sie stellt sich auch auf unterschiedliche Jahres-, Schul- und Ferienzeiten ein. Im Winter fährt die Lüftung in einem Zimmer hoch, sobald der CO2-Melder anschlägt. Erkennt der Präsenzmelder Abwesenheit, stoppt die Lüftung nach einer Nachlaufzeit von 2 h.

Im Sommerbetrieb wird die Anlage für die Nachtauskühlung benutzt. Ist die Temperaturdifferenz außen / innen groß genug, läuft die Lüftung. So sind die Klassenräume morgens angenehm kühl. Bei Außentemperaturen unter 22°C startet die Lüftung auch, wenn die CO2-Werte zu hoch sind. Bei höheren Temperaturen – nur dann ist noch Handbetrieb gefragt – öffnen die Lehrkräfte bei Bedarf die Fenster an der sonnenabgewandten Raumseite. Schillinger hat dafür alle Räume so geplant, dass sie Fenster zu mehreren Seiten aufweisen.

Unterstützt wird die Lüftung durch die tageszeitabhängige Jalousie-Steuerung. Je nach Sonnenstand und Temperatur sorgt die Beschattung für kühle Räume oder fängt im Winter auch einmal Sonnenwärme ein. Priorität haben dabei natürlich immer die Anwesenheit von Personen im Raum oder die höchste Instanz – die manuelle Steuerung.

Generell ist die Automatik so ausgelegt, dass noch nicht einmal ein manuelles Umschalten während der Ferien nötig ist. Ohne menschliche Präsenz geht die Anlage in einen Minimalbetrieb.

Bedienung für Zentralfunktionen und Pandemien

Ganz ohne Bedienpanel kommt auch die beste Automatik nicht aus. Es befindet sich im Lehrerzimmer und zeigt Zustände wie die Luftqualität in den Räumen oder Störungen an. Auch Zentralfunktionen sind hier hinterlegt, wie das Ein- und Ausschalten der gesamten Beleuchtung.

Besonders erwähnenswert ist die so genannte »Pandemie-Funktion«. Auf dem Touchscreen lässt sich die Anlage per Button auf Pandemiebetrieb stellen. Die Lüftungen in Klassenzimmern und Sanitäranlagen laufen bei Präsenz dann ständig, unabhängig vom CO2-Gehalt. Nur wenn die Außentemperaturen zu hoch sind, läuft die Lüftung nicht, und die Fenster müssen gemäß den gesetzlich vorgeschriebenen Zyklen geöffnet werden. Die Lüftung würde sonst zu viel Warmluft in die Klassenzimmer fördern.

Autor

Dipl.-Phys. Martin Witzsch, freier Journalist,

Quelle und Bildquelle: www.elektro.net