Praxisfrage

Bild: Foto zur Anfrage – Tischventilator mit sehr zweifelhaftem Zugriffsschutz

Aktuell führe ich bei einen Kunden die Geräteprüfung nach DGUV V3 durch. Mir ist nun ein Tischventilator in die Finger gekommen, der sehr große Öffnungen im Schutzgitter aufweist (Bild). So groß, dass ich mit meinen dicken Fingern problemlos durchgreifen kann und in Kontakt mit den Propellern bekommen könnte. Folgende Fakten zum Ventilator:

  • Modell »Progress Type 575 W20«
  • Schutzklasse II
  • Leistungsaufnahme 25 W
  • Propeller aus Kunststoff
  • Einsatzort: Büro.

Der Berührungsschutz ist nicht defekt, sondern wurde vom Hersteller seinerzeit so vorgegeben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es erlaubt ist, diesen Ventilator so weiter zu betreiben. Leider konnte ich keine Vorschriften zu Tischventilatoren finden.

Expertenantwort

Sichere Verwendung von Arbeitsmitteln beachten

Bei dieser Praxisanfrage muss der hier relevante Sachverhalt etwas differenzierter betrachtet werden, da solche sehr starken Verallgemeinerungen nicht mehr den Grundsätzen des modernen Arbeitsschutzes gerecht werden. Zum grundsätzlichen Verständnis der Zusammenhänge einige Ansätze im Bereich des Arbeitsschutzes in Bezug auf die sichere Verwendung von Arbeitsmitteln zu beachten.

Diese Grundsätze wurden mit der aktuellen Ausgabe Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) nochmals konkretisiert. Die hier nun folgenden Überlegungen sind bei der Beurteilung solcher und ähnlicher Fragestellung zu beachten. Der Unternehmer bzw. der Arbeitgeber hat über sämtliche Prozesse des Arbeitsschutzes nach Arbeitsschutzgesetz § 5 und DGUV-V 1 eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen. Nach BetrSichV ist die Gefährdungsbeurteilung durch eine fachkundige Person zu erstellen.

Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung

Die Gefährdungsbeurteilung muss zwingend vor der ersten Bereitstellung der oder des Arbeitsmittels an die Mitarbeiter abgeschlossen sein. Die Gefährdungsbeurteilung muss zu allen relevanten Gefährdungen (wie z. B. die Gefährdungen, die Sie beschriebenen haben) eine Gefahreneinschätzung und die notwendigen Gegenmaßnahmen enthalten.

Die notwendigen Maßnahmen müssen nach der Rangfolge des TOP-Prinzips strukturiert sein. (T – Technische Schutzmaßnahmen, O – Organisatorische Schutzmaßnahmen, P – Persönliche Schutzmaßnahmen bzw. Schutzausrüstung). In der Gefährdungsbeurteilung müssen zwingend die Inhalte und Vorgaben zur sicheren Verwendung des Arbeitsmittels und die notwendigen Prüfungen beschrieben sein sowie auf die notwendigen Einweisungen, Unterweisungen und Schulungen der Mitarbeiter eingegangen werden. Außerdem muss die Gefährdungsbeurteilung die vom Arbeitgeber bzw. seiner fachkundigen Person ermittelten Prüffristen, den Prüfumfang, die Anforderungen an den Prüfer usw. enthalten. Für diese Beurteilung (Gefährdungsbeurteilung) ist der Stand der Technik zu beachten. Um diesen zu beurteilen, kann sich der Arbeitgeber an den aktuellen Normen, z. B. Produktnormen, an den Veröffentlichen des LASI (Länderausschuss für Arbeitssicherheit), Herstellerinformationen usw. orientieren. Für die Beurteilung von Anpassung von »Alt-Arbeitsmitteln« an den Stand der Technik bei der Verwendung von Arbeitsmitteln siehe Empfehlungen zur Betriebssicherheit (EmpfBS): EmpfBS 1114 und EmpfBS 1113 für die Beschaffung von Arbeitsmitteln.

Beantwortung der konkreten Fragestellung

Zu Ihrer Anfrage und der damit verbundenen Ermittlung des Standes der Technik ist der Sicherheitsstandard der aktuellen und gültigen Produktnorm DIN EN 60335-2-80 (VDE 0700-80):2009-10 »Sicherheit elektrischer Geräte für den Hausgebrauch und ähnliche Zwecke – Teil 2-80: Besondere Anforderungen für Ventilatoren« zu beachten. Mit der Bewertung der Zugänglichkeit zu gefährlichen Teilen befasst sich der Abschnitt 21.101.: »Auf die Schutzvorrichtungen von Ventilatoren wird in der Richtung der Motorachse eine Zug- und Druckkraft von 20 N ausgeübt. Nach der Prüfung darf es nicht möglich sein, gefährliche bewegte Teile mit einer Prüfsonde zu berühren, die ähnlich der Prüfsonde B der IEC 61032 ist, aber eine runde Anschlagplatte mit einem Durchmesser von 50 mm anstelle der nicht runden Platte hat (…) Die Prüfsonde wird mit einer Kraft von nicht mehr als 5 N angewendet.«

Die Prüfsonde B nach IEC 61032 bzw. VDE 0470-2 wird zur Überprüfung des Zugangsschutzes mittels eines Prüffingers verwendet, hier soll gewährleistet werden, dass ein Zugang mittels eines Fingers durch den Nutzer nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich ist.

Vom Prüfer (einer befähigten Person) ist bei der Überprüfung dieses Arbeitsmittels (Bild) somit zwingend der Zugangsschutz zusätzlich zu den weiteren Überprüfungen der elektrischen Sicherheit nach den Vorgaben der aktuellen DIN VDE 0702 nach den vorab aufgeführten normativen Vorgaben bzw. dem Stand der Technik zu prüfen.

Fazit

Es ist also nach den vorab aufgeführten Rechtsvorschriften zwingend eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen. Hieraus lässt sich ein Prüfablauf ableiten, der den aktuellen Stand der Technik abdeckt. In dem Fall Ihres im Bild gezeigten Ventilators sind hierzu nicht nur die elektrischen Gefährdungen von Relevanz, sondern es müssen zwingend alle Gefährdungsarten berücksichtigt werden. Nur so kann die sichere Verwendung des Arbeitsmittels gewährleistet werden.

Autor

Frank Ziegler, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger der HWK Stuttgart für das Elektrotechniker-Handwerk und VdS-Sachverständiger zum Prüfen elektrischer Anlagen

 

Quelle und Bildquelle: www.elektro.net