Prüfungen an ortsveränderlichen und ortsfesten Geräten sowie an elektrischen Anlagen werfen für den ­Prüfer in der Praxis ständig Fragen auf (Bild 2). Die Normen DIN VDE 0701-0702 enthalten z. B. Grenzwerte, die nicht immer einheitlich von Elektrofachleuten interpretiert werden. Insbesondere die Grenzwerte des Ableit- bzw. Schutzleiterstroms bei Frequenzumrichtern (FU) bereiten Verständnisprobleme.

Wir betrachten in diesem Beitrag hauptsächlich das TN-C-S-System in gewerblicher Umgebung. Die Messung der Ableitströme mittels Differenzstrommessung erfolgt i. d. R. mit Stromzangen. Die richtige Messgeräteeinstellung und die Bewertung der Messergebnisse erfordert einige Normenkenntnisse.

Ableit-, Schutzleiter- und Erdableitströme

Wir beschäftigen uns im Folgenden mit einem breiten Spektrum an Grundsätzen zu diesem Thema. Anstelle von Ableitströmen wird in den Normen auch von Schutzleiterströmen bzw. Erdableitströmen gesprochen. Werfen wir einen Blick in die DIN VDE 0100-200:2006-06. Nach Abschnitt 826-11-21 dieser Norm ist ein Ableitstrom ein Strom in einem unerwünschten Strompfad unter üblichen Betriebsbedingungen. Nach 826-11-20 ist ein Schutzleiterstrom ein Strom, der als Ableitstrom oder als elektrischer Strom infolge eines Isolationsfehlers im Schutzleiter auftritt.

Die Begriffsbestimmung für den Schutzleiterstrom ist aus meiner Sicht nicht vollständig, da Schutzleiterströme auch durch EMV-Maßnahmen entstehen. Außerdem halte ich die Aussage »infolge eines Isolationsfehlers« für äußerst fragwürdig, da auch blanke Schutzleiter zur Anwendung kommen dürfen. Vermutlich sind Isolationsfehler – die nicht zu einer Abschaltung führen müssen – innerhalb von elektrischen Betriebsmitteln/Verbrauchsmitteln gemeint.

Die modifizierten Begriffsbestimmungen hierzu in DIN VDE 0701-0702 erscheinen mir sinnvoller. Es sei noch angemerkt, dass dieses Thema unabhängig vom System nach Art der Erdverbindung ist.

Ableitstrom als Oberbegriff

Bild 2: Bestimmung des Isolationswiderstandes

Ableitstrom ist der »Überbegriff« für Schutzleiterströme und für Ströme die durch Koppelkapazitäten von Kabeln bzw. Leitungen zur Erde, aber auch durch deren nicht unendlichen Isolationswiderstand auftreten. Kritisch sind dabei die Schutzleiterströme, die z. B. aufgrund von Störschutzbeschaltungen (EMV-Filter) auftreten. Dies gilt insbesondere dann, wenn es zu einer Schutzleiterunterbrechung kommt. Außerdem kann es dadurch zu Fehlauslösungen vorgeschalteter Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) kommen.

In der Praxis und auch in den Normen werden diese beiden Begriffe nicht immer ganz korrekt angewendet. So verwendet der Abschnitt 8.2.6 von DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1):2019-06 auch einen »Erdableitstrom, der im Schutzleiter zum Fließen kommt«, was jedoch eindeutig einen Schutzleiterstrom darstellt.

Geräte, elektrische Betriebsmittel und elektrische Verbrauchsmittel

Analog zeigt sich die angestiftete Verwirrung bei den Begriffen Geräte, elektrische Geräte, Betriebsmittel und Verbrauchsmittel. Gerät ist wiederum ein Überbegriff, z. B. für elek­trische Geräte, Arbeitsgeräte usw. Elektrische Geräte beinhalten wiederum elektrische Betriebsmittel und elektrische Verbrauchsmittel.

Der Begriff »elektrische Betriebsmittel« beinhaltet auch die elektrischen Verbrauchsmittel. Nun ist die Verwirrung sicher komplett. Nach Abschnitt 3.8 von DIN VDE 0701-0702:2008-06 ist ein elektrisches Gerät, ein »gebrauchsfertiges elektrisches Betriebsmittel«. Die in DIN VDE 0701-0702 enthaltenen Werte gelten als Grenzwerte für den Fall, dass es keine Angaben in den Produktnormen bzw. in den Herstellerunterlagen gibt. Es ist aber richtig, dass sich die meisten Angaben und Werte in den Normen und auch in Normen der Reihe DIN VDE 0100 auf elektrische Betriebsmittel beziehen.

Normative Festlegungen

Es gibt in der Praxis mitunter die Auffassung bei Elektrofachkräften, dass in DIN VDE 0701-0702 nur die Grenzwerte von 3,5 mA allgemein und für Geräte mit Heizelementen bis max. 10 mA festgelegt sind. Dieser Aussage soll hier widersprochen werden, da in der Tabelle 2 von DIN VDE 0701-0702:2008-06 auch noch folgender Hinweis enthalten ist: »Beim Überschreiten nebenstehender Grenzwerte ist festzustellen, ob durch Produktnormen bzw. Herstellerangaben andere Grenzwerte gelten.« In den Normen der Reihe DIN VDE 0100 gibt es dazu Festlegungen in den nachfolgend aufgeführten Teilen.

Zum Abs. 516 von DIN VDE 0100-510:2014-10

In dieser Norm beziehen sich die Hinweise auf Betriebsmittel, jedoch ohne Grenzwerte im normativen Teil. Grenzwerte sind jedoch im informativen »Nationalen Anhang NA« von DIN VDE 0100-510:2014-10 enthalten, wobei diese Werte eine Wiedergabe aus Anhang B von DIN EN 61140 (VDE 0140-1):2016-11 sind.

Abs. 531.3.2 von DIN VDE 0100-530:2018-06

In diesem Abschnitt geht es um das ungewollte Auslösen von RCDs durch hohe Schutzleiterströme.

Abs. 543.7 von DIN VDE 0100-540:2012-06

In diesem Abschnitt geht es um notwendige Maßnahmen in der elektrischen Anlage, wenn Schutzleiterströme >10mA auftreten.

Abs. 7.6.3.1 von DIN EN 61140 (VDE 0140-1):2016-11

Dieser Abschnitt enthält analoge Aussagen zu Abschnitt 531.3.2 von DIN VDE 0100-530:2018-06: »Es müssen Maßnahmen in der Anlage und in Betriebsmitteln getroffen werden, um zu verhindern, dass übermäßige Schutzleiterströme auftreten, die die Sicherheit oder die bestimmungsgemäße Nutzung der elektrischen Anlage beeinträchtigen.«

Abschnitte 7.6.3.2 bis 7.6.3.4 von DIN EN 61140 (VDE 0140-1):2016-11

Diese Normenabschnitte richten sich in erster Linie an die Normengremien mit der Empfehlung, dass z. B. die in diesem Abschnitt vorgegebenen Schutzleiterströme bei der Erarbeitung von Betriebsmittelnormen berücksichtigt werden sollen, d. h. nicht überschritten werden sollten.

Abs. 7.6.3.5 von DIN EN 61140 (VDE 0140-1):2016-11

In diesem Abschnitt geht es um Schutzleiterströme >10mA in der elektrischen Anlage, analog zu den Vorgaben im Abschnitt 531.3.3 von DIN VDE 0100-530:2011-06.

Abs. 8.2.6 von DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1):2019-06

In diesem Abschnitt geht es um Schutzleiterströme > 10 mA bei der Ausrüstung elektrischer Maschinen. Jedoch weicht diese Norm von den Anforderungen in der Sicherheitsgrundnorm DIN EN 61140 (VDE 0140-1) und den Normen der Reihe DIN VDE 0100 erheblich ab. Es werden folgende Festlegungen aufgeführt:

»

  1. der Schutzleiter ist vollständig innerhalb der Gehäuse der elektrischen Ausrüstung verlegt, oder in anderer Weise auf seiner gesamten Länge gegen mechanische Beschädigung geschützt;
  2. der Schutzleiter hat über seine gesamte ­Länge einen Mindestquerschnitt von 10 mm² Cu oder 16 mm² Al;
  3. wenn der Schutzleiter einen Querschnitt von weniger als 10 mm² Cu oder 16 mm² Al hat, muss ein zweiter Schutzleiter mit mindestens demselben Querschnitt bis zu dem Punkt vorgesehen werden, an dem der Schutzleiter einen Querschnitt von nicht weniger als 10 mm² Cu oder 16 mm² Al aufweist. Dies kann erfordern, dass die elektrische Ausrüstung einen getrennten Anschluss für einen zweiten Schutzleiter aufweist;
  4. automatische Abschaltung der Stromversorgung bei Verlust der Durchgängigkeit des Schutzleiters;
  5. wenn eine Stecker-Steckdosen-Kombination verwendet wird, muss der Anschluss mit einem Steckverbinder für industrielle Anwendungen nach der Normenreihe IEC 60309 Serie ausgeführt sein und der Schutzleiter muss einen Mindestquerschnitt von 2,5 mm² als Teil einer mehradrigen Leitung aufweisen.«

Abs. 5.5 von DIN VDE 0701-0702:2008-06

Dieser Abschnitt behandelt Schutzleiter­ströme von elektrischen Geräten, also von Betriebsmitteln und Verbrauchsmitteln.

Grenzwerte für Betriebs- oder Verbrauchsmittel

Quelle: Tabelle 2 aus DIN VDE 0701-0702:2008-10

Im Prinzip gelten in erster Linie die jeweiligen Werte, wie sie in den jeweiligen Betriebsmittelnormen vorgegeben werden. Sie sollten aber auf der Basis von DIN EN 61140 (VDE 0140-1) basieren.

Die Wechselstromanteile in Schutzleiterströmen, hervorgerufen durch Verbrauchsmittel, sind im Abschnitt 7.6.3.3 von DIN EN 61140 (VDE 0140-1):2016-11 festgelegt (Tabelle). Außerdem gilt nach dieser Norm, dass für elektrische Verbrauchsmittel, die mit einem dauerhaften Anschluss für einen verstärkten Schutzleiter versehen sind, der maximale Schutzleiterstrom größer sein darf. Der Schutzleiterstrom darf aber in keinem Fall 5 % des Bemessungsstroms je Außenleiter überschreiten.

Ableit- oder Schutzleiterströme bei Frequenzumrichtern

Die Produktnormen für Frequenzumrichter, z. B. in der DIN EN 61500-5-1 (VDE 0160-5-1):2017-11, enthalten keine Grenzwertvorgaben. Hier gibt es aber die Forderung, dass bei Ableitströmen > 3,5 mA entsprechende Hinweise und Warnschilder vorzusehen sind. Bei Frequenzumrichtern dürfen somit auch größere Ableitströme > 10 mA auftreten, wenn die entsprechenden Vorgaben in den Errichtungsbestimmungen den Normen der Reihe DIN VDE 0100 bzw. in den Ausrüstungsbestimmungen, z. B. in DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1) berücksichtigt werden.

Zu den Anforderungen aus der Norm DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1) haben wir bereits oben einige Ausführungen abgegeben. Kommen wir nun zum Vergleich der entsprechenden Anforderungen aus der Errichtungsnorm DIN VDE 0100-540. Im Abschnitt 543.7 von DIN VDE 0100-540:2012-06 gibt es folgende Festlegungen: »(…)

Wenn das elektrische Verbrauchsmittel über nur eine einzige entsprechende Schutzleiteranschlussklemme verfügt, muss der angeschlossene Schutzleiter einen Querschnitt von mindestens 10 mm² Cu oder 16 mm² Al in seinem gesamten Verlauf aufweisen. (…) Anmerkung 1: Ein PEN-, PEL- oder PEM-Leiter in Übereinstimmung mit 543.4 erfüllt diese Anforderung.

Wenn das elektrische Verbrauchsmittel über eine separate Anschlussklemme für einen zweiten Schutzleiter verfügt, muss ein zweiter Schutzleiter mit mindestens demselben Querschnitt, wie er für den Fehlerschutz gefordert wird, bis zu dem Punkt verlegt werden, an dem der Schutzleiter mindestens einen Querschnitt von 10 mm² Cu oder 16 mm² Al hat.«

Prüfung elektrischer Geräte

Bei der wiederkehrenden Prüfung von elek­trischen Geräten nach DIN VDE 0701-0702:2008-06, welche sowohl elektrische Betriebsmittel einschließlich elektrische Verbrauchsmittel enthalten, ist die Einhaltung der Werte gemäß Tabelle 2, unter Beachtung der »Bemerkung« für jedes einzelne elektrische Gerät, nachzuweisen. In dieser Norm ist jedoch keine »Anlagenprüfung« enthalten. Für wiederkehrende Prüfungen elektrischer Anlagen und für maschinelle Anlagen trifft DIN VDE 0105-100:2015-10 zu. Hier ist eine Überprüfung der Ableitströme bzw. Schutzleiterströme nicht gefordert. Die angegebenen Werte in allen Normen beziehen sich immer auf elektrische Geräte, da in der elektrischen Anlage immer die Summe an Ableitströmen aller angeschlossenen Geräte auftritt. Somit wäre es nicht möglich, einen Grenzwert anzugeben und nachzuweisen.

Daher beziehen sich die Forderungen in den Errichtungsbestimmungen immer auf einzelne Geräte und nicht auf die Summe der angeschlossenen Geräte. Bei jedem einzelnen Gerät muss der Schutzleiterstrom so klein gehalten werden, dass es durch eine Schutzleiterunterbrechung nicht zu einer Personengefährdung kommen kann. Durch die Verstärkung des Schutzleiters für jedes einzelne Gerät, das höhere Schutzleiterströme hervorbringt oder erzeugt, soll das Risiko insbesondere für Personen minimiert werden. Die Aussagen in Abschnitt 8.2.6 von DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1):2019-06 enthalten keine anderen Festlegungen.

Isolationseigenschaften in Stromkreisen

Oft kommt in der Praxis die Frage auf, ob die Messungen des Ableitstroms überhaupt etwas zur Beurteilung der Isolationseigenschaften in Stromkreisen mit FUs beitragen. Nun, das sind sozusagen zwei Paar Schuhe. In der elektrischen Anlage wird der Isola­tionswiderstand – also relative oder vollständig niederohmige Verbindungen aktiver Leiter mit Erdpotential/Schutzleiter – bei abgeschalteter elektrischer Anlage überprüft. Dies hat nichts mit den Schutzleiterströmen direkt zu tun. Bei abgeschalteter Anlage ergeben sich keine Schutzleiterströme – hervorgerufen durch EMV-Maßnahmen.

Fazit

Aus Gründen der Personengefährdung müssen also die Schutzleiterströme begrenzt werden. Dies gilt ggf. auch für die Berührungsströme, die bei Schutzklasse II von besonderer Bedeutung sind. Die Einhaltung dieser Werte müssen bei der Herstellung von elek­trischen Betriebsmitteln (elektrischen Geräten, elektrischen Verbrauchsmitteln) und bei der wiederkehrenden Prüfung von elektrischen Geräten nachgewiesen werden. Wenn größere Ableitströme als 3,5 mA bzw. 10 mA auftreten können, müssen bei der Errichtung elektrischer Anlagen entsprechende Maßnahmen ergriffen werden (s. o.).

Aus Gründen der Verfügbarkeit elektrischer Anlagen muss der Anschluss elektrischer Geräte so vorgenommen werden, dass es nicht zu Fehlauslösungen vorgeschalteter RCDs kommen kann. Dafür ist der Faktor 0,3 aus Abschnitt 531.3.2 von DIN VDE 0100-530:2018-06 zutreffend. Die Einhaltung dieses Faktors ist notwendig, da RCDs bereits bei einem Fehlerstrom der beim 0,5-fachen des Bemessungsdifferenzstroms liegt, auslösen dürfen. Der Faktor 0,3, anstelle von 0,5, wurde gewählt, damit auch eventuelle andere »kleiner« Ableitströme, z. B. zur Erde (die ja auch an der RCD vorbeifließen), nicht zu Fehlauslösungen führen.

Bei Festanschluss von elektrischen Geräten kann/muss dieser Faktor eingehalten/berücksichtigt werden. Bei Anschluss über Steckvorrichtungen kann es in Einzelfällen zu Problemen kommen, wenn durch den elektrotechnischen Laien zu viele elektronische Betriebsmittel an einem Steckdosenstromkreis betrieben werden. Dann können Fehlauslösungen auftreten.

Formal gilt, dass bei einer RCD mit einem Bemessungsdifferenzstrom von 30 mA, nur 9 mA auftreten dürfen. Bei einer RCD mit einem Bemessungsdifferenzstrom von 300 mA dürfen daher 90 mA Schutzleiterströme auftreten. Auch hierbei gilt: würde dieser Wert von 90 mA an einem elektrischen Gerät auftreten, müssten wieder die Anforderungen für einen verstärkten Schutzleiter erfüllt sein.

Autor

Michael Lochthofen, Mebedo Consulting GmbH,Montabaur

Quelle und Bildquelle: www.elektro.net