Die Norm DIN VDE 0100-420 (VDE 0100-420) mit dem Titel »Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 4-42: Schutzmaßnahmen – Schutz gegen thermische Auswirkungen« dürfte die in den letzten Jahren am häufigsten geänderte VDE-Bestimmung sein – immer in der Erwartung, dass das Thema AFDD besser formuliert wird, wobei sich die Norm nicht nur mit dem Thema AFDD befasst. Der Einsatz von AFDD ist nach wie vor zwar eine von mehreren Alternativen, jedoch meist aber auch die einfachste Lösung. Eine weitere Ausgabe dieser Norm ist übrigens beim IEC in Bearbeitung. In dieser Neuausgabe wurde im nationalen Anhang ein informatives Übersichtsbild aufgenommen (Bild). Wenn man den Abschnitt »Änderungen« betrachtet, könnte man glauben, dass es kaum Änderungen gibt, da dort nur zwei Änderungen gegenüber der Ausgabe von 2019 angeführt sind. De facto dürfte lediglich das Thema Bauproduktenverordnung für Elektrofachkräfte von echtem Interesse sein.
Großzügige Übergangsfrist
Anwendungsbeginn dieser Norm war der 1. 6. 2022, jedoch besteht für die zu diesem Zeitpunkt in Planung oder im Bau befindlichen Anlagen eine Übergangsfrist bis zum 17. 12. 2024. Eine sofortige Anwendung ist natürlich immer zu empfehlen. Es gibt Festlegungen bzw. Anforderungen in den nun nachfolgend explizit erwähnten Abschnitten.
Bezug auf die Bauproduktenverordnung
Im Abschnitt 420.1 »Anwendungsbereich« geht es um Kabel und Leitungen sowie deren Brandverhalten. Hier wird auf die Bauproduktenverordnung (CPR, en: construction products regulation) und die relevanten Euroklassen nach DIN EN 13501-6 verwiesen. Eine neue Anmerkung 3 enthält den Hinweis, dass nationale gesetzliche Regelungen, bezüglich der Klassifikation für eine bestimmte Anwendung oder Anlage, das in dieser Norm aufgeführte Anforderungsniveau aufheben können.
Nichts neues für Umgang mit AFDD
In den Abschnitten 420 bis 420.8 »Schutz gegen Brände, verursacht durch elektrische Betriebsmittel« gab es keine Änderungen. Somit hat sich bezüglich der Verwendung von AFDD nichts geändert. Nach wie vor müssen die Auswirkungen von Fehlerlichtbögen in Endstromkreisen betrachtet und entsprechende Maßnahmen vorgesehen werden, die sich aber nicht nur auf AFDD beschränken – so z. B. für:
- Räumlichkeiten mit Schlafgelegenheiten; Hinweis: Das gilt für alle Räume mit Schlafgelegenheiten
- Räume oder Orte mit besonderem Brandrisiko – Feuergefährdete Betriebsstätten (nach Musterbauordnung – MBO)
- Räume oder Orte aus Bauteilen mit brennbaren Baustoffen, wenn diese einen geringeren Feuerwiderstand als feuerhemmend aufweisen, wobei Holzhäuser allgemeinhin nicht davon betroffen sind
- Räume oder Orte mit Gefährdungen für unersetzbare Güter.
Es ist bereits in der Planungsphase eine Risiko- und Sicherheitsbewertung durchzuführen und deren Ergebnis zu dokumentieren. Für Drehstromkreise gibt es nach wie vor keine Forderung, da es z. Zt. noch keine Geräte auf dem Markt gibt. Bei zu erwartenden Risiken müssen die anderen alternativen Maßnahmen (geeignete bauliche, anlagentechnische oder organisatorische Maßnahmen), so wie im Abschnitt 421.7 vorgegeben, berücksichtigt werden.
Die Auswirkungen von Fehlerlichtbögen sind durch geeignete bauliche, anlagentechnische oder organisatorische Maßnahmen zu reduzieren. Die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten finden sich wieder in einer FAQ-Liste zur DIN VDE 0100-420 »Wichtige Fragen zur Anwendung und Umsetzung der im Oktober 2019 zu dieser Thematik erschienenen Norm beantworten die zuständigen Experten«, siehe www.dke.de/de/arbeitsfelder/core-safety/normenhinweise/faq-liste-zur-din-vde-0100-420. Mit dieser FAQ-Liste dürften nun alle Fragen zum Thema AFDD beantwortet sein.
Brandschutztechnische Anforderungen
Im Abschnitt 422.2 »Bedingungen für die Evakuierung im Notfall« wurde folgende Grauschattierung hinzugefügt: »In Deutschland gelten die Anforderungen der regionalen LAR (»Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Leitungsanlagen (Leitungsanlagen-Richtlinie – LAR)«). Die LAR (auch als MLAR bezeichnet, da es in den einzelnen Bundesländern Abweichungen gibt), Ausgabe 3 vom 30.4.2021 enthält diesbezüglich keine zusätzlichen Anforderungen.
Flucht- und Rettungswege – Verlegehinweise
Im Abschnitt 422.2 »Unter den Bedingungen« entfiel die bisherigen Anmerkung 1, die nun – mit einigen Änderungen – als regulärer normativer Text eingefügt wurde. Die weiteren Aufzählungsstriche des zweiten Absatzes sind inhaltlich geblieben. Es entfiel folgende bisherigen Anmerkung 3: »Falls Kabel-/Leitungsnormen detaillierte Angaben nicht enthalten, wird ein Lichtdurchlassgrad von 60 % für jedes Kabel/jede Leitung, geprüft nach DIN EN 61034-2 (VDE 0482-1034-2), empfohlen.«
Der erste Aufzählungsstrich von Abschnitt 422.3.4: lautet nun: »Kabel/Leitungen müssen mindestens den Prüfungen unter Brandbedingungen der Klasse Eca, wie in DIN EN 13501-6 spezifiziert, entsprechen.« Die Erläuterung für die Klasse Eca findet sich in einer Tabelle des informativen Nationalen Anhangs NA.
Neu hinzugefügt wurde der Norm folgende Aussage: »Wo ein hohes Risiko der Flammenausbreitung besteht, z. B. bei langen vertikalen Kanälen mit Kabelbündeln ohne sonstige bauliche oder anlagentechnische Schutzmaßnahmen, wird die Verwendung von Kabeln/Leitungen empfohlen, die mindestens die Anforderungen von Klasse Cca-s1, d2, a1 nach DIN EN 13501-6 erfüllen.«
Hierzu sind folgende Hinweise des Autors zu beachten:
- Die angeführte DIN EN 13501-6 ist nicht in der Normenbibliothek enthalten.
- Die Erläuterung für »Cca-s1, d2, a1» siehe Tabelle im informativen »Nationalen Anhang NA«
- Bauarten nach Tabelle 1 erfüllen diese Anforderungen.
PVC-ummantelte Kabel und Leitungen, z. B. NYM und NYY, erfüllen die Anforderungen an die vertikale Flammausbreitung nach DIN EN 60332-1-2 (VDE 0482-332-1-2). Leitungen des Typs NYM und NYY dürfen auch direkt auf Holz verlegt werden.
Im Abschnitt 422.5.2 wurde die bisherige Anmerkung nun ersetzt durch folgende Formulierung: »Anmerkung: Dosen und Gehäuse für Hohlwände nach EN 60670-1 und Kabel/Leitungen, die die Anforderungen von DIN EN 13501-6, Klasse Cca-s1, d2, a1, erfüllen, können verwendet werden.«
Fazit
Dieser Beitrag stellt nur eine erste Einstiegshilfe dar – ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Es ist unabdingbar, dass Elektrofachkräfte sich ausgiebig mit dieser neuen Norm befassen.
Autor
Werner Hörmann, Gelernter Starkstrommonteur und dann viele Jahre als Projektant für Schaltanlagen und Steuerungen bei Siemens tätig. Aktive Normung in verschiedenen Komitees und Unterkomitees der DKE.
Quelle und Bildquelle: www.elektro.net