Immer mehr ÖPNV-Betriebe sowie Stadtwerke setzen sich mit neuen Mobilitätskonzepten auseinander und planen den Aufbau von Ladeinfrastruktur für Elektrobusse, um so konventionell betriebene Busse sukzessive zu ersetzen. Es werden beispielsweise Busdepots durch neue Transformatorstationen, Um­richtereinheiten, Batteriespeicher in Kombination mit Photovoltaik, bis hin zu den entsprechenden Ladeeinrichtungen komplett elektrifiziert (Bild 1).

Bild 1: Typische Systemarchitektur der Ladeinfrastruktur für elektrische Busse

Die Busse können dann nachts während ihrer längeren Stillstandszeiten im Depot einfach geladen werden. Je nach Streckengröße und -plan werden zudem an Haltestellen sogenannte Opportunity-Charger errichtet, mit denen mittels Pantographen geladen wird. Sie haben eine verkürzte Ladezeit aufgrund ihrer hohen Ladeleistung.

Ganzheitliche Schutzkonzepte

Gerade im ÖPNV ist ein reibungsloser, störungsfreier Betrieb sowie die ständige Verfügbarkeit ein entscheidender Faktor. Einerseits ist die Mobilität der Fahrgäste ein Muss und andererseits spielt die Wirtschaftlichkeit eine große Rolle, denn unnötige, kostspielige Instandhaltungsarbeiten sind unbedingt zu vermeiden. Auch ist da­rauf zu achten, dass für Mitarbeiter während der Wartungseinsätze, aber auch für Passanten und Fahrgäste keine Gefährdungen entstehen.

Um die sensiblen Komponenten in der komplexen und sehr energiereichen Ladein­frastruktur sicher vor Schäden und Störungen infolge von Blitzbeeinflussung oder Überspannungen zu schützen, ist es daher unabdingbar, auch die daraus entstehenden möglichen Gefährdungen individuell zu bewerten. Nur durch ganzheitliche, aufeinander abgestimmte Schutzkonzepte – bestehend aus äußerem Blitzschutz, Erdung, Potentialausgleich und Überspannungsschutz – werden Störungen und kostspielige Schäden vermieden und so Anlagen- und Betriebssicherheit, die Wirtschaftlichkeit und nicht zuletzt auch die maximale Personen­sicherheit sichergestellt (Bild 2).

Bild 2: Bestandteile eines ganzheitlichen Schutzkonzeptes

Gefährdung des gesamten Busdepots durch Blitze

Die Ursachen für die Störung oder gar Zerstörung von Elektronikkomponenten sind vielfältig. Sie reichen von direkten und indirekten Blitzbeeinflussungen (Bild 3) bis hin zu Überspannungen durch Schalthandlungen, Erd- und Kurzschlüsse oder Auslösen von Sicherungen (SEMP = Switching Electromagnetic Pulse).

Bild 3: Ursachen von Überspannungen bei Blitzentladungen im Energieversorgungsnetz

Hinsichtlich der Blitzeinschläge sind diese, abhängig von der Einschlagsstelle, nach DIN EN 62305-2  in vier Gruppen unterteilt:

  • Direkter Blitzeinschlag in die bauliche Anlage
  • Blitzeinschlag in der Nähe der baulichen Anlage
  • Direkter Blitzeinschlag in die eingeführte Versorgungsleitung
  • Blitzeinschlag neben der eingeführten Versorgungsleitung.

Leitungsgebundene Störimpulse können sowohl über die Oberspannungs- als auch über die Unterspannungsseite der Transformatorstation übertragen werden. Aber auch über zweidrahtgebundene Kommunikationsschnittstellen können Blitzteilströme und Überspannungen ins System eingekoppelt werden.

Der Gefährdungsradius um den Blitzeinschlagsort und die damit verbundene schadhafte Auswirkung kann mehr als zwei Kilometer betragen (Bild 4). Die resultierenden Überspannungen überschreiten um ein Vielfaches die Bemessungsstoßspannungsfestigkeit der verbauten sensiblen Elektronik. Die Folge sind dann nicht nur Schäden in der Ladeinfrastruktur selbst, sondern – während eines Ladevorganges – auch innerhalb der Bordelektronik des Elektrobusses.

Bild 4: Ausbreitung Spannungstrichter

Risikoanalyse, normative Anforderungen und Schutzkonzeptauslegung

Die Risikoanalyse als Teil des Risikomanagements bestimmt das Schadensrisiko durch direkte und indirekte Blitzeinschläge für eine bauliche Anlage einschließlich Personen und Ausrüstung. Auch die örtlichen Gegebenheiten und die Art der Nutzung fließen in die Analyse mit ein.

Sofern die Blitzschutzklasse nicht durch eine Bauordnung festgelegt ist, wird diese nach Abschätzung des Schadensrisikos entsprechend DIN EN 62305-2 ermittelt. Für eine praxisgerechte und einfache Durchführung der Risikoanalyse steht eine darauf ausgerichtete Software zur Verfügung (Dehnsupport Toolbox).

Ist ein äußerer Blitzschutz erforderlich, so ist dieser entsprechend DIN EN 62305-3  in Abhängigkeit der geforderten oder ermittelten Blitzschutzklasse zu errichten. Der äußere Blitzschutz besteht aus Fangeinrichtungen und Ableitungen. Über die Fangeinrichtung werden Blitze an vorher definierten Einschlagpunkten eingefangen, um dann über die Ableitungseinrichtung in der vermaschten und niederimpedant durchverbundenen Erdungsanlage großflächig verteilt zu werden. Um Trennungs­abstände von Ableitungseinrichtungen sicherzustellen, wird in der Praxis häufig auf hochspannungsfesten isolierenden Blitzschutz, wie z. B. HVI, gesetzt. So entstehen keine gefährlichen Funkenbildungen oder Überschläge, und es werden eine Brandgefahr sowie sekundäre Schäden sicher vermieden.

Gerade bei Bushaltestellen und Betriebshöfen, wo sich regelmäßig Personen aufhalten, ist zusätzlich eine individuelle Bewertung in Hinblick auf das Auftreten einer Schritt- und Berührungsspannung notwendig. Ist hier eine Gefährdung gegeben, sind zusätzliche Maßnahmen wie beispielsweise der Einsatz von blitzstromgeprüften Gittermatten zur Potentialsteuerung im Aufenthaltsbereich von Personen unabdingbar (Bild 5).

Bild 5: Beispielhaftes Busdepot mit isoliertem äußeren Blitzschutz (HVI), niederimpedant vermaschtem Erdungssystem inkl. Potentialsteuerungsmaßnahmen zur Vermeidung von gefährlicher Schritt- und Berührungsspannung im Aufenthaltsbereich von Personen

EMV-orientiertes Blitzschutzzonenkonzept gemäß DIN EN 62305-4

Auf Basis der ermittelten Blitzschutzklasse (Lightning Protection Level), z. B. LPL III, wierden über das sogenannte Blitzkugelmodell die potenziellen Einschlagspunkte ermittelt. Dabei rollt man eine fiktive, definierte Blitzkugel über die gesamte Anlage. Je nach Blitzschutzklasse variiert der Radius der Kugel. Auf Basis dessen werden die Fangeinrichtungen des äußeren Blitzschutzes so positioniert, dass sich die gesamte Anlage im einschlagsgeschützten Bereich befindet.

Hieraus ergibt sich die Einteilung der Blitzschutzzonen (Lightning Protection Zone). Die äußere Zone LPZ 0 wird in zwei Zonen unterteilt. LPZ 0A ist direkten Blitzeinschlägen und dem vollen magnetischen Feld des Blitzes ausgesetzt. Die Zone LPZ 0B ist gegen direkte Einschläge geschützt aber durch das elektromagnetische Feld des Blitzes gefährdet. Die inneren Zonen LPZ  1 … n sind gegen direkte Einschläge geschützt aber durch Teilblitzströme gefährdet.

Je nach Zonenübergang gilt es, das passende Blitz- und Überspannungsschutzgerät auszuwählen. Am Übergang LPZ  0A auf LPZ  1 oder höher müssen Schutzgeräte eingesetzt werden, die in der Lage sind, erhebliche Blitzteilströme zerstörungsfrei abzuleiten. Diese Schutzgeräte werden als Blitzstrom-Ableiter SPD Typ 1 bezeichnet. Nach dem Blitzschutzzonenkonzept sind alle von außen kommenden Energie- und Kommunikationsleitungen aus Zone LPZ   0A mit SPD Typ 1 in den Blitzschutz-Potentialausgleich einzubeziehen. Am Übergang LPZ  0B auf LPZ  1 und höher, sind energieschwache Stoßstromimpulse in Folge von außen induzierter oder im System selbst erzeugter Überspannungen zu beherrschen. Diese Schutzgeräte werden als Überspannungsableiter SPD Typ 2 bezeichnet. Die Umsetzung des Blitzschutzzonenkonzepts ist eine wichtige Voraussetzung für den sicheren und störungsfreien Betrieb einer Busladestation (Bild 6).

Bild 6: Blitzschutzzonenkonzept am Beispiel einer Busladestation

Fazit

Die Erstellung von individuellen Risikoanalysen nach DIN EN 62305-2, eine umfassende qualifizierte Beratung vor Ort sowie die ganzheitliche Planung von Blitz- und Überspannungsschutzkonzepten ist ein wichtiger Bestandteil zur Sicherstellung der Verfügbarkeit einer leistungsfähigen und qualitativ hochwertigen Ladeinfrastruktur.

Nur durch ein ganzheitlich abgestimmtes EMV-orientiertes Schutzkonzept, bestehend aus äußerem Blitzschutz, Erdung und Potentialausgleich sowie Überspannungsschutz für Energie- und Datenleitungen, kann ein Busdepot maximal vor den Auswirkungen von Blitzen und Überspannungen geschützt werden. Das stellt die ständige Verfügbarkeit sowie den wirtschaftlichen Betrieb und gleichzeitig auch die Personensicherheit bei Blitzereignissen sicher – damit alles zuverlässig läuft.

Autor

Tobias Kerschensteiner, Sales Manager,  Dehn SE, Neumarkt

Quelle und Bildquelle: www.elektro.net