Das Ziel der Kostenoptimierung eines Steuerungskonzeptes darf nicht nur während der Erstellung einer Automatisierungslösung im Fokus stehen, sondern muss ebenso während des Betriebs und der Wartung einer Anlage gewährleistet sein. Diese Anforderung unterstützt nachhaltig die Ablaufsprache (Grafcet, Graph bzw. SFC ‒ Sequential Function Chart).

Nichts ist bei einer Inbetriebnahme für den Programmierer eines Automatisierungssystems frustrierender, als der Satz »Es mag ja sein, dass die Funk­tion so beschrieben wurde, doch wir hatten uns das anders vorgestellt«. In solchen Momenten zeigt sich, dass unsere menschliche Sprache nur eingeschränkt tauglich ist, um komplexe technische Zusammenhänge zu be­schreiben. Die Sprache des Technikers ist die Zeichnung – in der Thematik »Automation« das Grafcet, das zwischenzeitlich auch im Maschinenbau und anderen technischen Berufen fester Bestandteil der Ausbildung ist.

Obwohl die Methode der Spezifizierung »Schritt für Schritt« eine Basis der Automatisierung war und die Ausbildung immer stärker diesen Aspekt berücksichtigt, wird sie in vielen Bereichen der Automation noch nicht angewendet. Wege zur Erarbeitung dieser Beschreibungs- und Programmiermethode soll dieser Artikel aufzeigen (Bild 1).

Bild 1: Die Möglichkeit, in »Graph« zu programmieren, kann ein Grund dafür sein, die S7-1500 einzusetzen

Ablaufsprache in der Prozessvisualisierung

 

Bild 2: Die Programmiermethode »Graph«

Wenn die Ablaufsprache direkt in die Visualisierung integriert wird, entsteht der größte Nutzen. Dann kann man eine Anlage oder den Prozess auch im Betrieb und der Wartung transparent führen. Der Status einer Verwiegung oder anderer Vorgänge ist stets zu steuern und nachvollziehbar, die Ursachen für mögliche Unterbrechungen eines Prozessablaufs sofort erkennbar (Bild 2). Ein typischer Anbieter derartiger Visualisierungen, neben Anderen, ist das Unternehmen Dr. Schoop GmbH, Hamburg.

Schulung – Ausbildung

Zwischenzeitlich bieten zahlreiche Ausbildungsunterlagen, aber auch Steuerungssys­teme und Simulationssoftware (z. B. PLCSIM zum TIA-Portal) die Möglichkeit, die entsprechenden Denkweisen der Automatisierung mit kausalen Abläufen zu erlernen. Leider ist in der Praxis in einigen Bereichen noch immer ein Bruch zwischen der Ausbildung und der realen Anwendung in den Unternehmen zu erkennen.

Bild 3: Auswahl unterschiedlicher und innovativer Zielsysteme (Grafcet-Engine) im Grafcet-Studio

Möglicherweise liegt der Grund auch darin, dass Grafcet als reines Spezifika­tionswerkzeug dargestellt wird, was bei den Praktikern und Entscheidungsträgern Vorbehalte auslöst, da der Ansatz damit einen nicht praxistauglichen Eindruck vermittelt.

Während in Schlüsselindustrien der Automobiltechnik, Nahrungsmittelherstellung und anderen komplexeren Anlagen verbindlich Automatisierungssysteme vorgeschrieben werden, die entsprechende Programmiermethoden anbieten, und von den Automatisierungsspezialisten die Bereitschaft gefordert wird, diese Methoden anzuwenden, findet man immer noch Bereiche, in denen diese Denkweisen kaum Berücksichtigung finden. Schaut man auf die Anbieter entsprechender Software-Tools, so fallen die Unternehmen Dr. Schoop Gmbh, Hamburg, und MHJ, Bretten, auf.

Bild 4: Die S7-1200 als Zielsystem im Grafcet-Studio

MHJ bietet die Möglichkeit, neben der Simulation auf dem PC auch die Simatic-Steuerungen, Codesys-V3-basierte Steuerungen, Raspberry Pi und Arduino Due als mögliche Steuerungssysteme (»Grafcet-Engine«, Bild 3) zu verwenden. Dabei dürften neben den sehr zukunftsgerichteten Geräten wie Raspberry Pi und Arduino Due auch die SPS S7-1200 von Siemens sehr interessant sein. Die S7-1200 wird in zahlreichen Bildungseinrichtungen verwendet, und die Ressourcen dieser Steuerung reichen für die Ausbildung mehr als aus. Lediglich wenn das nach den Ausbildungsunterlagen erlernte »Grafcet« praktisch angewendet werden soll, entsteht ein Bruch, da die S7-1200 keine Möglichkeit bietet, einen »Graphen« oder »Grafcet« ­direkt grafisch zu erstellen. Hier bietet MHJ eine Möglichkeit, die S7-1200 als »Grafcet-Engine« zu verwenden (Bild 4).

Ausbildung / Prozessvisualisierung

Bild 5: Im Grafcet-Studio wird ein Vertriebsprozess spezifiziert und simuliert

Zur Erarbeitung der Denkweisen des Grafcet bietet das Ingenieurbüro Dr. Schoop GmbH ein Didaktik-Konzept mit einem Editor und einer entsprechenden Simulation. Durch die zahlreichen Aufgaben und anspruchsvollen Modelle im Trainingsbereich wird die Fähigkeit unterstützt, praktische Aufgaben in eine grafische Darstellung zu überführen und entsprechende »Graphen« zu lesen bzw. zu interpretieren.

Die Möglichkeiten zur Anwendung des Grafcet beginnen nicht erst mit der Programmierung, sondern bereits mit der Anfrage zu einem Projekt (Bild 5).

Eine Anfrage ist bereits ein Initial-Schritt in einem Projekt, weitere Schritte sind Angebote, Auftrag, Auftragsbestätigung und die Umsetzung einer Anlage als simultane Abläufe, die durch die maschinenbauliche Umsetzung, die Erstellung der Schaltanlagen und die Programmierung und Tests durch Simulation gleichzeitig durchgeführt werden können.

Die Inbetriebnahme mit dem Test der Verdrahtung, Überprüfung der Handsteuerungen und Automatikfunktionen bilden die Zusammenführung paralleler Abläufe und finden mit den Schritten »Inbetriebnahme beim Kunden« sowie »Übergabe der Anlage« ihren Abschluss. Damit wird der gesamte Entstehungsprozess transparent, und die Beteiligten verwenden die gleiche Sprache, wie der Programmierer zur Festlegung der Automatikabläufe innerhalb der Steuerung.

Ablaufsprache im TIA-Portal

In der täglichen Anwendungspraxis ist die Automatisierungswelt des Unternehmens Siemens nicht zu übersehen und steht daher aus unterschiedlichen Gründen immer im Fokus. Da für zahlreiche Branchen die Ablaufsprache unverzichtbar geworden ist, bietet das TIA-Portal mit dem »S7 Graph« (zwischenzeitlich immer mehr als »Graph« bezeichnet) eine entsprechende Möglichkeit, auch diese Programmiermethode in Kombination mit der S7-1500 zu verwenden.

Zur direkten Anwendung des »Graph« von Siemens eignet sich die S7-300 und in neueren Ausbildungspaketen die S7-1500. Um auch bereits vorhandene S7-1200 verwenden zu können, bietet das Unternehmen MHJ-Software GmbH & Co. KG die Möglichkeit, die erzeugte Anwendungssoftware auf eine S7-1200 zu übertragen.

Sobald eine S7-1500 verwendet wird, kann eine Automatisierungsaufgabe direkt in der Ablaufsprache grafisch erstellt werden – mit den Test- und Simulationsmöglichkeiten von Siemens. Soweit keine Hardware für die Tests zur Verfügung steht, kann man das »S7-PLCSIM« verwenden. Damit trainiert man die Handhabung der Programmierung, die korrekte Funktion der erarbeiteten Lösung und die Verwendung der Statusanzeige. Das »S7 Graph« ist eine Form der Ablaufsprachen-Darstellung, die sich am Grafcet orientiert und gleichzeitig zahlreiche Abweichungen zulässt, wie sie in der praktischen Anwendung unabdingbar sind. Mangelnde Flexibilitäten einiger Lösungsansätze zur praktischen Umsetzung der Ablaufsprache anderer Konzepte mögen viele Vorbehalte begründet und der Verbreitung der Idee des Grafcet geschadet haben.

Zusammenfassung

Allgemein wird die Kostenbetrachtung für eine Steuerungslösung nach den Hardwarekosten beim Einkauf durchgeführt, da diese Kosten transparent und belastbar sind. Projektkosten bei der Realisierung und dem Betrieb einer Anlage oder Einrichtung sind jedoch sehr viel höher – auch wenn die spätere Kostenanalyse nicht mehr so zwingend ist und Entscheidungen nicht mehr zu revidieren sind. Dennoch macht es verständlich, warum bei zahlreichen Projekten eine leistungsfähige Steuerung, wie z.B. die S7-1500 mit Graph, vorgeschrieben wird, mit der vorgeschrieben Anwendung der Programmiermethode »Graph«, obwohl möglicherweise im ersten Angebot ein kleineres System vorgesehen war.

Autor

Ulrich Kanngießer, Fachautor, Projektberatung und Realisierung, Schulungen, Lauf

Quelle und Bildquelle: www.elektro.net