Bild 1: Bereich melanopischer Wirkung

Jedes direkt oder indirekt in das Auge fallende Licht führt zu nicht-visuellen Wirkungen. Diese bezeichnet man auch als melanopisch, was »Lichtwirkungen über das Auge« bedeutet. Dieser Beitrag zeigt, welchen Einfluss diese nicht-visuellen Lichtwirkungen auf den Menschen haben.

Die nicht-visuellen Wirkungen unterstützen im Gegensatz zu den visuellen Wirkungen nicht das Sehen. Entscheidend für die melanopische Wirkung sind einzelne Bereiche des Auges. In Bezug auf die Sehrichtung ist die Wirkung in einem Bereich von 0° bis 45° größer als in einem ­Bereich von 45° bis 60° (Bild 1). In diesen Bereichen wandeln spezielle Rezeptoren über das Protein Melapsonin die Lichtsignale in Nervensignale um. Diese steuern den individuellen Rhythmus eines Menschen. Körpertemperatur und Körperhormone unterstützen zusätzlich die Signalübertragung.

Individueller Rhythmus eines Menschen

Bild 2: Leistungsfähigkeit im Tagesverlauf

Der individuelle Rhythmus eines Menschen koordiniert viele Prozesse im Inneren. Die meisten Prozesse werden in seriellen Phasen mit einem Maximum und einem Minimum aktiviert. Zum Beispiel ist in Phasen maximaler Leistung keine Verdauung oder Erholung möglich (Bild 2).

Dieser individuelle Rhythmus wird von ­außen durch das Licht synchronisiert. Er ­orientiert sich vor allem an der Quantität und Qualität des Lichtes. Durch unterschiedliches Licht werden unterschiedliche Programme im Menschen aktiviert. Zu den Programmen zählt auch die Produktion der Hormone

  • Cortisol, das den Organismus auf einen aktiven Modus tagsüber programmiert und den Stoffwechsel mehr und mehr einschaltet, und
  • Melantonin, das den Organismus auf einen passiven Modus nachtsüber Betrieb programmiert und den Stoffwechsel mehr und mehr ausschaltet (Bild 3).

Ein stabiler Rhythmus im Wechsel zwischen aktivem und passivem Modus des Organismus ist entscheidend für die physische und psychische Leistungsfähigkeit eines Menschen. Licht kann diesen Rhythmus stabilisieren. Es unterstützt den Menschen tagsüber in seiner Aktivität und nachtsüber in seiner Passivität. Das richtige Licht zur richtigen Zeit führt auch zu einem optimalen Schlaf mit einer idealen Erholung. Beides ist wichtig für mehr Energie tagsüber.

Spezielle Situationen eines Beschäftigten

Bild 3: Wachsamkeit im Tagesverlauf

Die spezielle Situation eines Beschäftigten basiert auf den relevanten Arbeitsräumen und Arbeitszeiten. Es ist zu unterscheiden zwischen Arbeitsräumen mit oder ohne ausreichender Beleuchtung durch natürliches Licht und Arbeitszeiten in Früh-, Tages-, Spät- oder Nachtschicht, teilweise auch mit einem Wechsel der Arbeitsräume und Arbeitszeiten. Bei Arbeiten in Räumen ohne ausreichende Beleuchtung durch natürliches Licht oder in Früh-, Spät- oder Nachtschicht fehlt den Beschäftigten ein deutlicher Wechsel von Helligkeit und Dunkelheit. Eine Desynchronisierung des individuellen Rhythmus eines Menschen mit Folgen für die Sicherheit und Gesundheit eines Beschäftigten sind in diesem Fall nicht auszuschließen. Deswegen beinhaltet die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) die gesetzliche Forderung nach einer angemessenen Beleuchtung durch künstliches Licht.

Bei dem Errichten und Betreiben dieser angemessenen Beleuchtung durch künstliches Licht sind durch den Arbeitgeber der aktuelle Stand der Beleuchtungstechnik und der Arbeitswissenschaft im Zusammenhang mit der Sicherheit und Gesundheit von Beschäftigten zu berücksichtigen. Das gilt für das Einrichten und Betreiben einer Arbeitsstätte sowie bei Änderungen im Einrichten und Betreiben einer Arbeitsstätte. Zu den Änderungen zählen u. a. eine andere Nutzung von Arbeitsräumen und eine andere Gestaltung von Arbeitszeiten.

Stand der Beleuchtungstechnik und Arbeitswissenschaft

Zu einer angemessenen künstlichen Beleuchtung zählen nach dem aktuellen Stand der Beleuchtungstechnik und Arbeitswissenschaft auch die nicht-visuellen Wirkungen des Lichtes. Das gilt trotz weiterer Entwicklungspotenziale bei der Beleuchtungstechnik und Forschungspotenzialen bei der Arbeitswissenschaft unter dem Aspekt eines Schutzes der Sicherheit und Gesundheit von Beschäftigten.
Im Wesentlichen basieren die nicht-visuellen Wirkungen von Licht auf sechs Faktoren:

Beleuchtungsstärken

Bei der Beleuchtung von Arbeitsplätzen unterscheidet man zwischen einer horizontalen und einer vertikalen Beleuchtungsstärke. Entscheidend für die nicht-visuelle Wirkung des Lichtes ist die Beleuchtungsstärke am Auge. Diese hängt ab von der Sehrichtung, den gegebenen Beleuchtungsstärken des natürlichen Lichtes und den geforderten horizontalen und vertikalen Beleuchtungsstärken des künstlichen Lichtes (Bild 4a bis Bild 4e, Tabelle 1). Konkrete Werte können berechnet oder gemessen werden.

Lichtspektrum

Tabelle 1: Farbtemperatur und Farbspektrum

Das Licht ist für ein Auge in einem Spektrum zwischen 380 nm und 780 nm sichtbar. Die größte nicht-visuelle Wirkung hat als blaues Licht wahrgenommenes Licht mit einem Spek­trum zwischen 440 nm und 540 nm und einem Optimum um 490 nm. Die Farbtemperatur ­einer Lichtquelle und der Teil des blauen Lichtes einer Lichtquelle stehen näherungsweise in einer direkten Relation (Tabelle 2). Exakte ­Daten zu dem Lichtspektrum einer Lichtquelle sind in der Dokumentation des Herstellers zu finden.

Lichtverteilung

Licht kann direkt oder indirekt in ein Auge fallen. Der Unterschied zwischen direkt und indirekt in ein Auge fallendes Licht ist die leuch­tende Fläche selbst. Diese ist bei indirekt in ein Auge fallendes Licht meistens größer als bei direkt in ein Auge fallendes Licht. Licht von einer größeren Fläche ist nicht-visuell wirksamer als Licht von einer kleineren Fläche.

Expositionsdauer

Licht kann über kürzere oder längere Dauer in ein Auge fallen. Wichtig für den individuellen Rhythmus sind längere Lichtexpositionen bei kleinen Beleuchtungsstärken am Auge oder kürzere Lichtexpositionen bei großen Beleuchtungsstärken während des Tages.

Expositionszeit

Licht kann nicht-visuell aktivierend und ­deaktivierend wirken. Wichtig für den individuellen Rhythmus sind die richtigen Lichtexpositionen nach dem Aufwachen, vor dem Einschlafen und während der Nacht.

Historie der Lichtexposition

Von Bedeutung für einen optimalen Schlaf mit einer idealen Erholung ist auch die Qualität und Quantität der Lichtexposition der letzten 24 h. Eine große Dosis des richtigen Lichtes tagsüber verkleinert die nicht-visuelle Wirkung von künstlichem Licht abends, oder: Eine kleine Dosis des richtigen Lichtes tagsüber vergrößert die nicht-visuelle Wirkung von künstlichem Licht abends.

Tabelle 2: Horizontale und vertikale Beleuchtungsstärken am Auge

Schutz der Sicherheit und Gesundheit von Beschäftigten

Zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit von Beschäftigten enthalten die DGUV-­Information 215-200 und die BAuA-Empfehlung Hinweise zur nicht-visuellen Beleuchtung von Arbeitsstätten für die verschiedenen Arbeitsräume und Arbeitszeiten (Tabelle 3).

Für eine Beleuchtung mit künstlichem Licht während eines Tages kann ohne Bedenken eine dynamische Beleuchtung zum Einsatz kommen, bei der sich die Beleuchtungsstärken, die Lichtfarbe und die Lichtrichtung verändern lassen, unter Einhaltung der Vorschriften des Arbeitsschutzes, besonders der visuellen Sehleistung und des visuellen Sehkomforts für Beschäftigte, und bei Ausrichtung an dem natürlichen Licht.

Für eine Beleuchtung mit künstlichem Licht bei Nachtschicht oder einem Wechsel von Früh-, Tages- und Spätschicht ist leider keine ausreichend optimale Lösung reali­sierbar.

Zusätzlich ist bei der Konzeption einer nicht-visuellen Beleuchtung mit künstlichem Licht auch das blaue Licht der Displays elek­tronischer Geräte am Arbeitsplatz relevant. Diese haben auch eine nicht-visuelle Wirkung auf Beschäftigte.

Konkrete Konzepte sind durch den Arbeitgeber in einer Gefährdungsbeurteilung zu ­fixieren. Die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung ist in der Arbeitsstättenverordnung gesetzlich gefordert. Zur Erfüllung des Schutzes der Sicherheit und Gesundheit kann der Arbeitgeber die in den Arbeitsstättenregeln sowie in den Vorschriften und Informationen des Arbeitsschutzes ­genannten Maßnahmen oder gleichwertige Maßnahmen anwenden.

Als Basis für die Umsetzung der Arbeitsstättenregel ASR A3.4 sollten nach KAN (Kommission für Arbeitsschutz und Normung) nur die DGUV-Information DGUV-I 215-200 »Nichtvisuelle Wirkungen von Licht auf den Menschen« und die ASTA-Empfehlung (Ausschuss für Arbeitsstätten) »Künst­liche biologisch wirksame Beleuchtung in Arbeitsstätten« des BMAS verwendet werden, aber nicht die Technische Regel »DIN SPEC 67600: Biologisch wirksame Beleuchtung – Planungsempfehlungen; 2013-04«. In Letzterer sind nicht ausreichend gesicherte Erkenntnisse vorhanden.

Zu beachten sind auch die Hinweise in der DGUV-Information und ASTA-Empfehlung zu einer Gefährdung der Sicherheit und Gesundheit von Beschäftigten durch falsches künstliches Licht. Eine künstliche Beleuchtung kann die nicht-visuellen Wirkungen von Licht tagsüber und nachtsüber verändern und auch zu Störungen des individuellen Rhythmus eines Menschen führen. Besonders bei einer permanenten oder zyklischen Veränderung des individuellen Rhythmus ­eines Menschen ist eine Gefährdung der ­Sicherheit und Gesundheit von Beschäftigten nicht auszuschließen.

Ein Beispiel ist zu helles und zu blaues Licht am Abend oder in der Nacht. Eine solche Beleuchtung wirkt sich ab und zu angewandt unproblematisch, aber oft angewandt problematisch aus. Die Folgen wären Schlafstörungen für Beschäftigte. Eine Beleuchtung mit zu hellem und zu blauen Licht ist wie ein »Doping mit Licht«. Dosiert angewandt kann es die Leistungsfähigkeit, zwar vermindert gegenüber der Leistungsfähigkeit tagsüber, für einzelne Tätigkeiten nachtsüber sicherstellen. Undosiert angewandt kann es die Sicherheit und Gesundheit von Beschäftigten schädigen. Dies zu vermeiden ist eine gesetzliche Verpflichtung für einen Arbeitgeber.

Tabelle 3: Hinweise zur nicht-visuellen Beleuchtung von Arbeitsstätten

Fazit

Nicht-visuelles Licht kann positiv oder negativ auf den Organismus eines Menschen wirken. Zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit ist in vielen Arbeitsstätten eine nicht-visuelle Beleuchtung mit künstlichem Licht erforderlich. Diese ist nach dem aktuellen Stand der Beleuchtungstechnik und der Arbeitswissenschaft möglich. Konkrete Konzepte sind durch den Arbeitgeber in einer gesetzlich vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung zu fixieren. Für viele Arbeitsstätten kann eine nicht-visuelle Beleuchtung mit viel kälterem Licht tagsüber und nicht so viel wärmerem Licht nachtsüber eine Lösung sein.

Anmerkung

Zu den nicht-visuellen Wirkungen von Licht zählen die melanopische Wirkungen sowie weitere Wirkungen. Zu diesen weiteren Wirkungen liegen aktuell noch keine ausreichenden Erkenntnisse der Arbeitswissenschaft vor.

Zusatzinfo: Gefährdungen der Augen durch blaues Licht

Direkt in ein Auge fallendes Licht kann abhängig von der Leuchtdichte und dem Lichtspektrum der Lichtquelle sowie der Dauer der Strahlung das Auge schädigen. Deswegen werden Lichtquellen konform DIN EN 62471 nach den Risikogruppen 0, 1, 2 und 3 klassifiziert.

Bezogen auf das Lichtspektrum ist die Gefährdung für eine solche Schädigung bei blauem Licht zwischen 400 nm und 500 nm mit einem Maximum bei 440 nm am größten. Leuchten mit LED unterscheiden sich nicht von Leuchten mit konventionellen Lampen und fallen in der Regel in die Risikogruppe 1 mit einem kleinen Risiko. Bei bestimmungsgemäßer Benutzung stellen solche Lichtquellen keine Gefährdung dar. Im Übrigen sollten Leuchten mit LED zur Beleuchtung von Arbeitsstätten mit künstlichem Licht entblendet sein und ein direktes Blicken in Leuchten mit LED aus kurzer Distanz vermieden werden.

Literatur

  • [1] DGUV-Information DGUV-I 215-200: Nichtvisuelle Wirkungen von Licht auf den Menschen; 2018-09
  • [2] ASTA-Empfehlung: Künstliche biologisch wirksame Beleuchtung in Arbeitsstätten; 2018-11
  • [3] KAN-Position: Berücksichtigung nicht-visueller Wirkungen künstlicher Beleuchtung in der Normung; 2019-10
  • [4] KAN-Position: Künstliche, biologisch wirksame Beleuchtung und Normung; 2017-04
  • [5] Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG); 2019-11
  • [6] Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV): 2017-10
  • [7] Arbeitsstättenregel ASR A3.4: Beleuchtung; 2014-04
  • [8] Arbeitsstättenregel ASR V3: Gefährdungsbeurteilung; 2017-07
  • [9] DGUV-Aktuell: Gefährdungen der Augen durch blaues Licht bei LED-Beleuchtung; 2019-04

Autor

Rainer Litzki, Fachautor, Augsburg

 

Quelle und Bildquelle: www.elektro.net