Praxisanfrage

Aktuell sind wir häufig in Neubauten unterwegs und installieren den AC-Teil der PV-Anlage im Zählerschrank und machen die Inbetriebnahme inklusive der Messungen. In den Neubauten ist das eine einfache Aufgabe. Jetzt kommen aber auch noch Kunden dazu, deren elektrische Anlage mindestens 20, eher 30 Jahre alt ist. Hier gibt es die Möglichkeit, die komplette Zähleranlage auszutauschen, was meistens sehr arbeits- und kostenintensiv ist. Von einigen Fachkollegen habe ich von der Möglichkeit eines »Einspeise­kastens« gehört. Das soll ein neuer Zählerschrank sein, der zwischen den Hausanschlusskasten und die »alte« Zähleranlage geklemmt wird. Somit wird die Zähleranlage zur Unterverteilung.

Nun meine Fragen:

  • Ist das normtechnisch so zu realisieren? Wenn ja, kann die alte Zähleranlage einfach an der Hauptleitungsklemme der neuen Zähleranlage verbunden werden, oder sollte man hier eine Vorsicherung oder einen Hauptschalter vorsehen?
  • Wie wird die alte Zähleranlage behandelt, muss die gesamte Altanlage durchgeprüft werden?
  • Was gibt es bei dieser Konstellation noch zu beachten?

Expertenantwort

Wer haftet?

Aufgrund Ihrer Anfrage ist davon auszugehen, dass Sie ein Nachunternehmer von PV-Installationsbetrieben sind, welche selbst oft keine Zulassung haben, am Niederspannungsnetz zu arbeiten. Da für die Arbeiten am Niederspannungsnetz (und damit auch für die Einbindung von PV-Anlagen) die Eintragung im Installateurverzeichnis eines Netzbetreibers von der Niederspannungsanschlussverordnung (NAV) gefordert ist, behelfen sich viele PV-Firmen, welche nicht direkt dem Elektrohandwerk entstammen, mit entsprechenden Subunternehmern.

Daher ist für den Errichter solcher Anschlussarbeiten (vorstehend als Subunternehmer benannt) zunächst auf eine unbedingt erforderliche Haftungsabgrenzung hinzuweisen. Die Verantwortlichkeit des eingetragenen Installateurs endet nämlich nicht automatisch am Wechselrichter, selbst wenn man nur den Auftrag übernimmt, lediglich die »Wechselspannungsseite« der Erzeugungsanlage anzuschließen und zu prüfen.

Sollten auf der DC-Seite technische Ausführungsfehler vorliegen, welche zu einem Personen- oder Sachschaden führen (z.B. fehlender Überspannungsschutz, fehlender oder fehlerhafter Potentialausgleich, falsche Dimensionierung der DC-Leitungen, unsachgemäße Anschlüsse, etc.), so kann der Installateur in die Haftung genommen werden. Schließlich unterschreibt er den Antrag beim Netzbetreiber mit seinem Namen.

Ein Text hierzu könnte z.B. so lauten (die Ausformulierung kann je nach Netzbetreiber geringfügig abweichen):

»Die aufgeführte(n) Installationsanlage(n) ist/sind unter Beachtung der geltenden Rechtsvorschriften und behördlichen Verfügungen sowie nach den anerkannten Regeln der Technik, insbesondere nach den DIN VDE Normen, den Technischen Anschlussbedingungen (TAB) und den sonstigen besonderen Vorschriften des oben genannten NB von mir/uns errichtet und fertiggestellt worden.«

Personen-, Brand- und Sachschutz endet jedoch nicht am Wechselrichter, daher ist es zwingend notwendig, auch die DC-Seite auf ordnungsgemäße Ausführung zu prüfen oder sich zumindest die Richtigkeit der DC-Installationen durch Prüfberichte und Errichterbescheinigung bestätigen zu lassen. Eine eigene Sichtprüfung der DC-Installationen vor dem Anschluss ist trotz vorliegender Errichterbescheinigung dennoch immer sinnvoll und i.d.R. auch nicht zu zeitintensiv.

In der für die Prüfung von elektrischen Anlagen relevanten Norm DIN VDE 0100-600:2017-06 wird ausdrücklich auf die besonderen Anforderungen an Prüfung, Dokumentation und Instandhaltung von Photovoltaik-Systemen verwiesen. Diese Nachweise sind zu erbringen oder müssen vom PV-Installationsbetrieb eben beigestellt werden.

Anlagengröße und Art der Einspeisung

Ihre Praxisanfrage ist weiterhin sehr allgemein gehalten. Verschiedene Aspekte zur Beantwortung der Fragen fehlen (z.B. Anlagengröße größer, kleiner oder gleich 30 kVA). Volleinspeisung ohne Eigenverbrauch ist zwar weiterhin möglich, findet aber wegen sukzessive reduzierter Einspeisevergütung gerade bei privaten Erzeugungsanlagen nicht mehr oft statt.

Der folgenden Bewertung lege ich also zugrunde, dass die Anlage eine Scheinleistung von SAmax ≤ 30 kVA hat und der Anschluss als Eigenverbrauchsanlage mit Überschusseinspeisung erfolgt. Je nach Auswahl der Einspeisung ist das passende Messkonzept beim Antragswesen zu berücksichtigen. Dabei sind die möglichen Messkonzepte vom zuständigen Netzbetreiber vorgegeben und vom Errichter der elektrischen Anlage gemäß den jeweiligen technischen Mindestanforderungen des zuständigen Netzbetreibers vorzubereiten.

Überschusseinspeisung

Beispielsweise beim Messkonzept »MK A2« (Überschusseinspeisung, Bild 1 links) wird ein gemeinsamer Einspeise- und Bezugszähler verwendet. Sofern hingegen ein separater Erzeugungszähler gefordert oder gewünscht ist, so kann dieser nach VDE-AR-N 4105:2018-11 bei Anlagen bis 30kWp auch dezentral sitzen und muss nicht in der gemeinsamen Zähleranlage untergebracht sein (Bild 1 rechts).

Gemäß Anwendungsregel VDE-AR-N 4105:2018-11 kann im Falle einer Eigenversorgung mit Überschusseinspeisung die Anschlussleitung der Erzeugungsanlage zentral am Zählerplatz oder dezentral in einer Unterverteilung angeschlossen werden. Zählerplätze für Erzeugungszähler müssen dann entsprechend Abschnitt 5.5.1 ausgeführt sein, nämlich:

  • bei zentraler Anordnung nach VDE-AR-N 4100
  • bei dezentraler Anordnung neben der Erzeugungsanlage nach VDE-AR-N 4100 oder (bei KWK-G-Anlagen) im Kleinverteiler auch mit nach Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) zugelassenen Hutschienenzählern
  • bei KWK-G-Anlagen und dezentraler Anordnung in der Erzeugungseinheit unter Berücksichtigung der Spezifikationen der gewählten Zählerbauart und der Produktnorm der Erzeugungseinheit.

Bei der gewünschten dezentralen Zählerplatzanordnung für den Anschluss einer Erzeugungsanlage im Selbstverbrauch bzw. Überschusseinspeisung nach EEG und KWK-G ≤ 30 kVA ist der informative Anhang C der AR 4105 ggf. hilfreich. Dort ist der mögliche Aufbau bildlich dargestellt und ergänzend beschrieben.

Fazit

Soweit also ein weiterer Zählerplatz erforderlich ist und nicht bloß der Austausch des bisherigen Bezugszählers Z1 in einen Zweirichtungszähler ausreicht, ist es natürlich immer gut, wenn der Kunde den Einbau einer neuen und gemeinsamen Zähleranlage nach VDE-AR-N 4100 akzeptiert.

Ist dies nicht möglich, so kann ein separater Zählerschrank (nach VDE-AR-N 4100) für den Erzeugungszähler errichtet werden, bei Anlagen mit SAmax ≤ 30 kVA. Dabei muss die »alte« Zähleranlage nicht abgeändert werden, sondern es wird die Erzeugungsanlage gemäß Bild 1 rechts nach der Messung (Z2) mit dem Klemmstein im Anlagenseitigen Anschlussraum (AAR) des bisherigen bestehenden Zählerplatzes (Z1) verbunden.

Alternativ kann in diesem Beispiel auch im Unterverteiler der Bestandsanlage ein Abgang für die Erzeugungsanlage geschaffen werden.
Für Instandhaltungs- und Wartungsarbeiten des Wechselrichters müssen Einrichtungen zum Trennen des Wechselrichters sowohl von der Gleichspannungs- als auch von der Wechselspannungsseite vorgesehen werden. Im TT-System muss allpolig, also auch der Neutralleiter getrennt werden (DIN VDE 0100-460:2018-06). Ein Hauptschalter ist also sinnvoll, es kann aber z.B. auch durch einen RCD getrennt werden.

Ob eine Prüfung der gesamten Anlage durch die Änderung erforderlich wird, entscheidet der eingetragene Installationsbetrieb. Dieser muss vor Ort bewerten, was erforderlich ist, damit die Anlage weiterhin sicher betrieben werden kann.

Daher ist nach VDE-AR-N 4100:2019-04 bei Erweiterung oder Änderung in bestehenden Kundenanlagen auch explizit durch den Errichter zu prüfen, ob betroffene Anlagenteile an die jeweils aktuellen Anforderungen an den Anschluss und den Betrieb von Kundenanlagen am Niederspannungsnetz anzupassen sind oder, ob die vorhandene elektrische Anlage nach der Erweiterung bzw. Änderung auch zukünftig technisch sicher und ohne Gefahr für Personen, Tiere und Sachwerte (vgl. DIN VDE 0100-100:2009-06) nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik betrieben werden kann.

Autor

Norbert Pauli, Elektrotechnikermeister,  öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger sowie vom VdS anerkannter Sachverständiger zum Prüfen elektrischer Anlagen

Quelle und Bildquelle: www.elektro.net