Praxisanfrage

Bei einem Kunden wurde letztes Jahr eine PV-Anlage mit Speicher montiert. Da der Wechselrichter (Fenecon Home) eine Notstrom-Funktion integriert hat, möchte der Kunde bei Netzausfall auf Notstrom umschalten. Die angeschlossenen Unterverteiler und der Zählerschrank wurden von einem Elektrounternehmen erneuert. Bei der Begehung wurde festgestellt, dass die an den Unterverteiler angeschlossenen Stromkreise noch über die klassische Nullung betrieben werden. Außerdem wurde der Neutralleiter mit dem Schutzleiter verbunden. Eine Verbindung von PE und N ist nach dem Trennen nicht mehr zulässig. Vom Zählerschrank wurde ein NYM-J 5×10 verlegt (Bild).

Ist bei einer klassischen Nullung generell eine Lastumschaltung zulässig? Man muss ja bei einer Umschaltung allpolig schalten und würde dann den PEN-Leiter – und somit die Schutzfunktion – trennen (Netzform TT). Gibt es dazu eine Lösung?

Expertenantwort

Normative Voraussetzungen

Im vorliegenden Fall sind Stromkreise zwischen Zähler und Unterverteiler mit sogenannter »klassischer Nullung« (TN-C-­System) in den Stromkreisen in der bestehenden elektrischen Anlage vorhanden. Gemäß DIN VDE 0100-540, Abs. 543.4.1, dürfen PEN-Leiter nur in fest installierten Anlagen verlegt werden. Der PEN-Leiter muss aus Stabilitätsgründen über einen Leiterquerschnitt von mindestens 10 mm² (Cu) oder 16 mm² (Al) verfügen. Die Forderung des Mindestquerschnittes von PEN-Leitern reicht bis zur VDE 0100 Ausgabe 1973 zurück, so dass hier bei einer damals regelkonform errichteten elektrischen Anlage mit einer Betriebsdauer von 50 Jahren auszugehen ist.

Auftrennung des PEN-Leiters?

Fotos zur Anfrage

Der Ausführung des vorliegenden Verteilerstromkreises als TN-C-System spricht in bestehenden elektrischen Anlagen erstmal nichts entgegen. Allerdings ist bei Erneuerung der elektrischen Anlagen die Erfordernis einer Anpassung bei wesentlicher Änderung und Erweiterung zu prüfen. Wie eine bestehende Kundenanlage, die ausschließlich zum Betrieb von Verbraucherstromkreisen vorgesehen ist, um eine Erzeugungsanlage erweitert, liegt gemäß VDE-AR-N 4100, Abs. 4.4, eine wesentliche Änderung der Kundenanlage vor. Demnach ist eine Anpassung der von der Änderung bzw. Erweiterung betroffenen Anlagenteile zu überprüfen. Eine wesentliche Änderung ist hier zu bejahen, so dass gemäß VDE-AR-N 4100 Abs. 6.3 der PEN-Leiter der Hauptleitung an der erstmöglichen Stelle nach Einführung in das Gebäude in einem TN-System in Neutralleiter und Schutzleiter aufzutrennen ist und auf dem kürzesten Wege mit der Erdungsanlage über die Haupterdungsschiene verbunden werden muss.

Neben der Auftrennung des PEN-Leiters in Neutral- und Schutzleiter dürfen diese nicht mehr miteinander verbunden werden. Speist die Erzeugungseinheit im Notstrombetrieb in ein TN-C-System ein, liegt eine solche unzulässige Verbindung im Insel­betrieb vor. Nun ist im vorliegenden Fall die Erzeugungsanlage mit einer Trenneinrichtung versehen. Es werden alle drei Außenleiter und der PEN-Leiter getrennt. Der PEN-Leiter darf jedoch gemäß DIN VDE 0100-530 Abs. 531.2.2 in einem TN-C-System nicht geschaltet werden. Die allpolige Netzumschaltung des TN-C-Systems mit dem PEN-Leiter ist demnach unzulässig und durch ein TN-S-System zu ersetzen bei dem ausschließlich die aktiven Leiter (L und N) über die Netzumschaltung geführt sind.

Fazit

Fehlt ein Leiter, stellt sich dem Fragesteller zurecht die Frage nach alternativen Lösungen. Typischerweise wird in solchen Fällen gerne ein TT-System verwendet. Beim TT-System ist der vierte Leiter der Neutralleiter und die Körper sind direkt mit Erdpotential über den Anlagenerder verbunden. Allerdings gibt der Netzbetreiber im Netzanschlussverhältnis die Netzform vor. Die Änderung der Netzform von einem TN-System auf TT-System ist demnach von der Zustimmung des Netzbetreibers abhängig. Darüber hinaus lässt sich ein TN-C-System nicht einfach in ein TT-System aufgrund der Leiterfarben in vieradrigen Kabel- und Leitungen umstellen, da die Farbkombination Grün-Gelb grundsätzlichen dem Schutzleiter oder dem PEN-Leiter vorbehalten sind. Daher darf dieser in der bestehenden Kundenanlage nicht als Neutralleiter in einem TT-System verwendet werden.

Autor

Marc Fengel, ausgebildeter Elektroinstallateur, VdS-anerkannter Sachverständiger zum Prüfen elektrischer Anlagen sowie Sachverständiger für PV-Anlagen und Maschinensicherheit.

Quelle und Bildquelle: www.elektro.net