Praxisfrage

Was passiert wenn an die Steckdose im Bild ein Verbraucher angeschlossen wird? Um dem danach fragenden Monteur eine klare Antwort geben zu können, wüsste ich gerne, was hier physikalisch passieren könnte, ohne die RCD zu berücksichtigen, die bei korrekter Installation wohl ansprechen würde.

Expertenantwort

Häufig vorkommender Installationsfehler

Foto zur Anfrage

Vorab möchte ich anmerken, dass ich es trotz der Einfachheit des Installationsfehlers sehr gut finde, dass sich jemand Gedanken über die elektrotechnischen Folgen macht. Für die weitere Antwort gehe ich erstmal davon aus, dass es sich um ein TN-Netzsystem handelt.

Der von Ihnen beschriebene Anschlussfehler kommt meiner Erfahrung nach öfter vor als man denken mag. Schlimmer wäre es selbstverständlich, wenn der Außenleiter und der PE vertauscht wären. Natürlich wird der Fehler vor der Inbetriebnahme durch die vorgeschriebene »Durchgängigkeit der Leiter«-Messung (RLOW oder auch RPE) nach DIN VDE 0100-600 entdeckt und behoben. Vorausgesetzt, diese Messung wird durchgeführt.

Analyse des Gefährdungspotenzials

Sie erwähnten bereits in Ihrer Anfrage, dass die vorgeschaltete, funktionsfähige RCD bei Anschluss eines Betriebsmittels natürlich ansprechen wird. Daher wäre diese Steckdose nicht nutzbar und es besteht keine Gefahr. Zumindest nicht in Deutschland. Denn in Deutschland muss der Neutralleiter im TN-Netz dauerhaft geerdet sein, so wie auch der Schutzleiter. Das ist nebenbei bemerkt der Grund dafür, dass der Neutralleiter im TN-System im Fehlerfall grundsätzlich nicht durch eine Überstromschutzeinrichtung mit abgeschaltet werden muss. Bei Steckdosenstromkreisen wird seit der RCD-Forderung nach DIN VDE 0100-410:2007-06 der Neutralleiter naturgemäß mit abgeschaltet.

Was passiert jetzt bei Nutzung dieses Stromkreises? Da es sich auf dem Foto im Bild um eine Steckdose mit weiterführender Verdrahtung handelt, ist anzunehmen, dass weitere Steckdosen an diesem Stromkreis angeschlossen sind. Diese sind durchaus nutzbar, sofern diese korrekt angeschlossen wurden. Auf den ersten Blick passiert nichts weiter, die Betriebsmittel an den anderen Steckdosen werden störungsfrei funktionieren. Auf den zweiten Blick gibt es schon einen kleinen Unterschied. Angenommen, an der falsch angeschlossenen Steckdose ist eine Stehleuchte der Schutzklasse I angeschlossen, aber nicht eingeschaltet und an z.B. einer der weiteren Steckdosen ist ein Betriebsmittel angeschlossen und eingeschaltet. Durch den Betriebsstrom kommt es auf der Leitung zu einem Spannungsfall, von dem die Hälfe am Neutralleiter abfällt.

Höhe der Berührungsspannung

Diesen Spannungsfall am Neutralleiter könnte ein Mensch, der jetzt die nicht eingeschaltete Stehleuchte anfasst, zu spüren bekommen. Die Höhe dieser Spannung hängt vom Betriebsstrom der Verbraucher an den anderen Steckdosen ab. Jedoch ist die zu erwartende Berührungsspannung so niedrig, dass sie keine Gefahr für einen Menschen darstellen sollte. Außerdem würde bei einem entsprechend hohen Berührungsstrom die RCD ansprechen.

Hierzu ein vereinfachtes Rechenbeispiel: Der Stromkreis ist korrekt geplant und der maximale Spannungsfall von 3 % der Nennspannung (DIN 18015) ist eingehalten. Als schlimmster Fall wäre anzunehmen, dass zeitweise 16 A zum Fließen kommen. Der Spannungsfall auf der Leitung könnte dann 6,9 V betragen. Es würden also maximal 3,45 V gegen den unbelasteten PE gemessen am Neutralleiter abfallen – also eine ungefährliche Situation. Zumal der Spannungsfall am entferntesten Ende des Stromkreises auftritt. Die Steckdose im Bild ist offensichtlich nicht am Ende installiert. Der Spannungsfall ist demzufolge noch kleiner als 3,45 V. In nicht korrekt dimensionierten Stromkreisen kann diese Spannung natürlich deutlich höher sein.
Betrachtungen zum TT-System

Wäre die Netzform als TT-System ausgeführt, dann wäre die Betrachtung deutlich komplizierter. Vereinfacht ausgedrückt kann die berührbare Spannung aufgrund des Spannungsfalls am Anlagenerder entsprechend höher sein und verteilt sich zudem, je nach Erdungsverhältnissen, PA-System und Anlagenstruktur in der restlichen Anlage. Im TT-System sind jedoch fast grundsätzlich RCDs eingesetzt, da die Abschaltbedingungen der DIN VDE 0100-410 mit Überstromschutzeinrichtungen eher selten erfüllt werden können.

Stromkreis ohne RCD

Nehmen wir zuletzt an, es handelt sich um einen TN-Stromkreis ohne RCD. Dann wäre die falsch angeschlossene Steckdose nutzbar und niemandem würde etwas auffallen. Jedoch kommt es in diesem Fall möglicherweise zusätzlich zu einem funktionstechnischen Problem. Wird an dieser Steckdose z. B. ein PC der Schutzklasse I betrieben, welcher an ein kupferverkabeltes Datennetzwerk angeschlossen ist, kann ein Teil des Betriebsstroms über den geerdeten Schirm der Datennetzwerkleitung abfließen. Erstens sind die Stecksysteme nicht dafür geeignet und zweites kann dieser vagabundierende Betriebsstrom die Stabilität des Netzwerks beeinträchtigen. Ebenso verhält es sich bei sehr alten Steckdosenstromkreisen, welche noch als TN-C-Endstromkreis ausgeführt sind (»kurze Nullung«).

Fazit

Ungeachtet der Fachlichkeit, der Normen­lage und des Netzsystems ist es somit in jedem Fall und in jeder Anlage sinnvoll, diese Fehler zu entdeckten und zu beheben – egal, ob nun eine RCD verbaut ist oder nicht.

Autor

Marco Zandeck, BZE Hamburg

Quelle und Bildquelle: www.elektro.net