Praxisanfrage

Fragen zum Thema »PV-Anlage an Gebäude ohne Fundamenterder und Haupt­erdungsschiene«:

  1. Wie muss das Kabel von der Erdung des PV-Tragsystem beschaffen sein? Wir verwenden NYY-J 1×16 von der Potischiene zum PV-Tragsystem, da dies meiner Meinung nach stromtragfähig ist. In manchen Anlagen habe ich es als flexibles Kabel gesehen. Gibt es eine Norm, wo steht, dass es ein Massivleiter sein muss?
  2. Beim betrachteten Objekt, was als Pferdestall dient, wurde eine PV-Anlage installiert. In dem noch nicht so alten Stall finden wir weder Fundamenterder noch Erdungsstab. Der Kunde weiß auch leider nicht, ob so etwas vorhanden ist. Ich würde einen Kreuzerder installieren, ihn danach auf eine Potischiene setzen, dann den Überspannungsschutz von der DC-Leitung mit anschließen sowie das PV-Traggestell. Ist diese Vorgehensweise richtig?
  3. Wenn keine Potischiene vorhanden ist, kann man einen Kreuzerder setzen? Und welchen Widerstandswert muss der Erder bei der Messung aufweisen?

Expertenantwort

Zu Frage 1)

Für die Errichtung von PV-Systemen gilt DIN VDE 0100-712. In dieser Norm gibt es keine zwingende Forderung, dass die Module bzw. die Modulrahmen über Schutzleiter bzw. Potentialausgleichsleiter (weder Schutzpotentialausgleichsleiter noch Funktionserdungsleiter) mit einem Erder zu verbinden sind. Im Abschnitt 712.542.101 von DIN VDE 0100-712:2016-10 »Potentialausgleich von Metallkonstruktionen der PV-Anlage« ist nur angeführt, was zu tun ist, wenn z. B. der PV-Modulhersteller solche Forderungen in seinen Unterlagen anführt. Somit gibt es auch keine Vorgaben über die Ausführung solcher eventuell vorgesehenen Verbindungen. Man muss sich gegebenenfalls an die Vorgaben der Modulhersteller halten (so es welche gibt).

Ich möchte meinerseits hier noch einige weiterführende Hinweise geben. Im Entwurf E DIN VDE 0100-712:2022-10, wird das Thema in etwa gleich behandelt. Allerdings ist für mich unverständlich, warum man dort, im Abschnitt 712.542.102, Aussagen zu einem eventuell vorzusehenden »Potentialausgleichsleiter« trifft. Unverständlich ist für mich, dass man diesen Leiter nicht benennt, z. B., ob es sich um einen Schutzpotential­ausgleichsleiter oder um einen Funktions­potentialausgleichsleiter – oder richtigerweise Funktionserdungsleiter handelt. Dies ist ja z. B. für die Farbgebung und »Qualität« von Bedeutung. Außerdem wäre diesbezüglich eine Abstimmung mit DIN EN 62305-3 Beiblatt 5 (VDE 0185-305-3 Beiblatt 5) dringend erforderlich, da der angeführte Potentialausgleichsleiter im Abschnitt 712.542.102 von E DIN VDE 0100-712:2022-10 mit 4 mm² Cu oder gleichwertig, festgelegt ist. Jedoch sind im Abschnitt 7 von DIN EN 62305-3 Beiblatt 5 (VDE 0185-305-3 Beiblatt 5):2022-10 6 mm² Cu oder eine äquivalente Stromtragfähigkeit vorgegeben.

Nicht betrachtet sei hier der Abschnitt 712.544.2 vom Entwurf E DIN VDE 0100-712:2022-10, da dieser sich mit der Verbindung von aktiven Leitern befasst. Auch Vorgaben, die aus Blitzschutzgründen nach DIN EN 62305-3 (VDE 0185-305-3) gefordert sein können, betrachte ich nicht, da Sie hierzu keine Angaben in Ihrer Anfrage getroffen haben, ob ein solcher vorhanden ist oder vorgesehen werden soll.

Auch wenn es keine Forderung in DIN VDE 0100-712:2016-10 bezüglich der Ausführung von Verbindungen der Metallkonstruktionen gibt, ist es sinnvoll, die Empfehlungen aus Abschnitt 7 von DIN EN 62305-3 Beiblatt 5 (VDE 0185-305-3 Beiblatt 5):2014-02 zu berücksichtigen. In diesem Abschnitt werden – wie oben bereits angeführt – 6 mm² Cu ohne zusätzliche Vorgaben zur Ausführung (sprich: massiv, mehrdrähtig oder flexibel) gefordert.

Zu Frage 2)

Für landwirtschaftliche Betriebsstätten ist zusätzlich zu den allgemeinen Normen der Reihe DIN VDE 0100 auch DIN VDE 0100-705 zu beachten. Gemäß deren Anwendungsbereich fallen u. a. auch Räume bzw. Orte oder Bereiche, in denen Pferde gehalten werden, unter diese Norm.

Bild: Einsatz von SPDs in PV-Stromversorgungssystemen

Sofern der Pferdestall über ein TT-System versorgt wird, wäre schon immer ein Anlagenerder gefordert gewesen. Bei Versorgung aus einem TN-System besteht erst seit 2018 die Forderung nach einem Anlagenerder. Im Abschnitt 411.4.1 von DIN VDE 0100-410:2018-10 wird für jedes neue Gebäude ein Fundamenterder nach DIN 18014 gefordert. Zuvor gab es in der zurückgezogenen Ausgabe von VDE 0100-410:2007-06 im Abschnitt 411.4.2 in einer Anmerkung folgende Empfehlung: »Anmerkung 2 Es wird empfohlen, Schutzleiter oder PEN-Leiter an der Eintrittsstelle in jegliche Gebäude oder Anwesen zu erden, wobei über Erde zurückfließende (vagabundierende) Neutralleiterströme, die nur bei Erdung von PEN-Leitern auftreten, berücksichtigt werden sollten.«

Sollte also die Versorgung aus einem TT-System heraus erfolgen, wären für elektrische Anlagen von Gebäuden, die bis 2020-07 (Ende der Übergangsfrist für DIN VDE 0100-410:2007-06) errichtet wurden, zwar ein Erder gefordert, jedoch nicht zwingend ein Fundamenterder. Als Erder durften alle Varianten nach DIN VDE 0100-540 vorgesehen werden, bzw. müssten entsprechend nachgerüstet werden. Bei einer Versorgung aus einem TN-System wäre erst nach 2020-07 (Ende der Übergangsfrist für DIN VDE 0100-410:2007-06) zwingend – die Empfehlungen außer Acht gelassen – ein Fundamenterder gefordert.

Wenn also das Gebäude nach 2020-07 fertig gestellt wurde, wäre sowohl bei Versorgung aus einem TT-System als auch aus einem TN-System ein Fundamenterder gefordert und müsste daher nachgerüstet werden. Da sich ein Fundamenterder im Nachhinein kaum realisieren lassen dürfte, müsste formal ein Ringerder nach DIN 18014 nachgerüstet werden.
Da auch das nachträgliche Einbringen eines Ringerders problematisch sein kann, könnte ggf. auf die Neuausgabe von DIN 18014 Bezug genommen werden, in welcher auch andere Erder betrachtet werden.

Bezüglich des Überspannungsschutzes für die DC-Leitungen gilt Folgendes: Es gibt in DIN VDE 0100-712:2016-10 keine zwingende Forderung nach einem Überspannungsschutz für die DC-Leitungen. Im Abschnitt 712.443 gibt es nur folgenden Verweis: »Die Entscheidung zur Verwendung von Überspannungs-Schutzeinrichtungen (SPDs) in PV-Systemen muss nach DIN EN 62305-3 Beiblatt 5 (VDE 0185-305-3 Beiblatt 5) erfolgen.«

Im Abschnitt 5.6.1 von DIN EN 62305-3 Beiblatt 5 (VDE 0185-305-3 Beiblatt 5) gibt es hierzu folgende Hinweise: »Sofern kein äußeres Blitzschutzsystem vorhanden und auch nicht geplant ist, können die Auswirkungen von Überspannungen und die damit verbundenen wirtschaftlichen Schäden durch Überspannungsschutzgeräte (SPDs)  oder Schirmungsmaßnahmen [siehe DIN EN 62305-4 (VDE 0185-305-4)] reduziert werden.« Für die Ausführung und Bemessung sollten Bild 6 (hier: Bild) und Tabelle 1 aus DIN EN 62305-3 Beiblatt 5 (VDE 0185-305-3 Beiblatt 5):2022-10 berücksichtigt werden.

Zu Frage 3)

Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun. Die Forderung nach einer Haupterdungsschiene (bei Ihnen als »Potischiene« bezeichnet) ist schon über 50 Jahre in den Normen enthalten. Beim Fehlen einer Haupterdungsschiene bzw. Potentialausgleichsschiene müsste diese umgehend nachgerüstet werden. Außerdem müssten die notwendigen Verbindungen für diesen Schutzpotentialausgleich vorgesehen werden.

Bezüglich eines Widerstandswertes gibt es keine Vorgaben in den Normen der Reihe VDE 0100. Im Entwurf von DIN 18014:2022-07 gab es die Empfehlung, dass der Wert nicht mehr als 10 Ω betragen sollte. Nur für die Versorgung aus einem TT-System muss der Abschnitt 411.5.3 von DIN VDE 0100-410:2018-10 beachtet werden.

Autor

Werner Hörmann, gelernter Starkstrommonteur und dann viele Jahre als Projektant für Schaltan­lagen und Steuerungen bei Siemens tätig. Aktive Normung in verschiedenen Komitees und Unterkomitees der DKE.

Quelle und Bildquelle: www.elektro.net