Praxisfrage

Bei der Überprüfung einer Elektroanlage (Netzform TT-System) habe ich feststellen müssen, dass das Original-Typenschild sämtlicher Unterverteilungen durch ein individuelles ergänzt wurde (Bild, linkes Foto). Die Angaben von Schutzart und Schutzklasse stimmen aber nicht überein. Welche Angaben sind hier denn nun anzunehmen?

Weiterhin sind sämtliche Profilschienen für die Reihenklemmen in den Unterverteilungen gemäß Schutzklasse II isoliert vom Tragrahmen aufgebaut. Es gibt aber an zentraler Stelle eine Brücke vom PE zum Trag­rahmen, was diese Schutzklasse wieder aufhebt (Bild, rechtes Foto). Darf ich durch einfaches Entfernen der Verbindung die Schutzklasse II so wieder herstellen? Was habe ich dann weiterhin zu prüfen und welche Messungen muss ich abschließend durchführen?

Fotos zur Anfrage

Expertenantwort

Ich habe so etwas in meiner langjährigen Praxis noch nicht vorgefunden. Auch die Firma Hager, die auf den Typenschildern angeführt ist, hat mir bestätigt, dass seitens Hager so etwas noch nicht vorgefunden wurde. Eigentlich müsste man den Elektriker, der das fabriziert hat, zur Rechenschaft ziehen – sofern das noch möglich ist. Durch sein Vorgehen können erhebliche Gefahren für Leben und Sachen entstehen.

Unzulässige Deklaration und Bestückung

Es dürfte z. B. unmöglich sein, einen Verteiler der vom »Ursprungshersteller« – hier: Firma Hager – als Verteiler mit der Schutzart IP 43 ausgewiesen war, im Nachhinein auf die Schutzart IP 54 zu ertüchtigen. Die hierzu erforderlichen Nachweise können nur beim Ursprungshersteller oder in entsprechenden Prüfzentren durchgeführt werden. Es wird also mit IP 54 eine falsche Sicherheit vorgegaukelt.

Außerdem bin ich der Meinung, dass es durch den im Bild gezeigten vollgepackten Verteiler, selbst bei der ursprünglich ausgewiesenen und von Fa. Hager geprüften Schutzart IP 43, durch die nicht sachgerechte Bestückung zu erheblichen Problemen bei der Erwärmung kommen dürfte. Ganz sicher wurde an diesem bestückten Verteiler nie ein Erwärmungsnachweis durchgeführt, wie er in den Normen der Reihe VDE 0660-500 gefordert wurde, bzw. nun in den Normen der Reihe VDE 0660-600 gefordert wird. Es bleibt festzustellen, dass die vorgefundene Ausführung kaum den Bestückungsvorgaben der Firma Hager entsprechen dürfte.

Schutzklassen verbindlich beachten

Ein weiteres Problem stellt die ursprüngliche Auswahl des Verteilers (siehe Typenschild Hager von 09.2007, linkes Foto im Bild) in der Schutzklasse I für ein TT-System dar. Im TT-System kann der Schutz durch automatische Abschaltung üblicherweise nur durch Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCDs) erfüllt werden. Vermutlich hat der Elektriker bzw. Errichter daher versucht, nachträglich den Verteiler als Betriebsmittel der Schutzklasse II zu deklarieren, ohne jedoch die Schutzleiterverbindung – insbesondere die zu den Montagerahmen – zu entfernen. Vermutlich dürfte der Verteiler auch an anderen Stellen nicht der Schutzklasse II entsprechen, da der Verteiler von Hager gemäß des ersten Typenschilds von 09.2007 nicht als Verteiler der Schutzklasse II ausgewiesen wurde. Analoges gilt auch für die weiteren Unterverteiler, die Sie vorgefunden haben, zu denen aber keine Bilder vorliegen.

Weiteres mögliches Vorgehen

Ich sehe keine einfache Lösung – etwa Ihrem Vorschlag folgend, die Schutzleiterver-bindung(en) zu lösen und so vermeintlich die Schutzklasse II zu realisieren. Für die Schutzklasse II müssten alle Anforderungen eingehalten und auch nachgewiesen werden, wie sie in der nun zutreffenden Norm DIN EN IEC 61439-1 (VDE 0660-600-1):2021-10 vorgegeben werden. Aus meiner Sicht ist das nicht realisierbar.

Eine Verwendung als Verteiler der Schutzklasse I schließt sich – wie oben beschrieben – aus, so dass aus meiner Sicht nur ein vom Hersteller (z. B. Hager) konzipierter Verteiler verwendet wird. Dieser muss die entsprechenden Nachweise mitbringen. Dieser Verteiler könnte dann vor Ort mit den notwendigen Geräten bestückt und verdrahtet werden. Eine Vergrößerung des Verteilers wird sicher auch notwendig werden. Dies ergibt sich aus den möglicherweise zu hohen Temperaturen, die durch die zu dichte Bestückung auftreten könnte.

Bedenken Sie aber, dass alle von Ihnen durchgeführten Änderungen an diesen Verteilern dazu führen, dass Sie zum Hersteller werden. Damit müssten Sie dann auch die CE-Konformität erbringen.

Autor

Werner Hörmann, gelernter Starkstrommonteur und dann viele Jahre als Projektant für Schaltan­lagen und Steuerungen bei Siemens tätig. Aktive Normung in verschiedenen Komitees und Unterkomitees der DKE

 

Quelle und Bildquelle: www.elektro.net