Praxisfrage
Bei der Wiederholungsprüfung (DIN VDE 0702) in den Büros eines Kunden tauchen vermehrt Netzteile für No-Name-Dockingstations von Laptops auf, deren Schutzklasse seitens des Herstellers anscheinend falsch deklariert ist. Das Typenschild für Schutzklasse II passt nicht zu Zuleitung mit Gerätestecker in Schutzklasse I mit Schuko-Stecker (Typ F) und Kleeblatt- bzw. Mickey-Mouse-Anschluss (Typ C5/C6) (Bild).
Die von mir gewählte Prüfung auf SK I (Durchgängigkeit des Schutzleiters nur in der Zuleitung gemessen, da am Gehäuse nicht tastbar) und anschließender Netz-Beaufschlagung hat ergeben, daß, vermutlich durch eine Filter-Beschaltung, tatsächlich auch ein Differenzstrom über den PE zum fließen kommt. Die Netzteile werden von der zentralen IT des Mutterkonzerns mit eigenem Prüfaufkleber in Verkehr gebracht. Einsicht in deren Prüfprotokolle habe ich nicht. Da hier keine unmittelbare Gefährdung vorliegt und es mir deshalb nicht zusteht, die Geräte nur auf Grund der Falschdeklaration des Herstellers einfach stillzulegen, habe ich sie bislang mit einem entsprechenden Vermerk im Prüfprotokoll durchgewinkt. Bin ich so als Prüfer auf der sicheren Seite? Welche Alternativen gibt es? Eine Empfehlung, doch besser die Markengeräte zu kaufen, würde wohl kaum auf fruchtbaren Boden fallen.
Expertenantwort
Zuordnung der Schutzklasse
Netzteile werde mittlerweile nach der nahezu weltweit gültigen IEC 62368-1 gebaut. In dieser Norm für alles, was mit Informationstechnik zu tun hat, wurde schon vor vielen Jahren ein Schutzkonzept etabliert, das auch weltweite Anerkennung findet. Das Konzept der Schutz-klassen findet sich auch darin, hat aber mit den Jahrzehnte alten Grundregeln der VDE nur noch wenig zu tun.
In der Tat spricht alles dafür, dass es sich auch aus Sicht des Herstellers um ein »Schutzklasse II-Gerät« handelt. Am Netzteil selbst befin-den sich keine berührbaren und geerdeten Metallteile. Der Schutzleiter in der Zuleitung wird als Funktionspotentialausgleich für die EVM-Filterbeschaltung (zur »Funkentstörung«) benutzt. Dies ist von außen nicht erkennbar, außer man misst den Schutzleiterstrom. Genau dies hat der Anfragende getan.
Sollte am Kleinspannungsstecker auch ein Durchgang zum Schutzkontakt messbar sein ist Vorsicht beim Prüfen geboten: Die Klein-spannungsseite des Netzteils ist dann auch über eine Filterbeschaltung an den Schutzkontakt angeschlossen. Üblicherweise erhält die prü-fende Person bei der Prüfung mit einem Gerätetester bei 200 mA schlechte Messwerte, schaltet die prüfende Person dann auf 10 A AC oder noch mehr um, so wird die Filterbeschaltung zerstört und nach wenigen Sekunden des guten Messwertes wird kein Durchgang mehr ange-zeigt. Das Netzteil funktioniert noch, ist aber zerstört.
Der Prüfablauf nach VDE 0702
Im Grunde hat der Anfragende richtig reagiert. Da es einen Schutzleiter in der Zuleitung gibt, wurde ein »SK-I-Ablauf« gewählt. In der Zuleitung wurde der Schutzleiter auch nachgewiesen. Bitte hier mit einem Prüfadapter für die Mickey-Mouse-Stecker arbeiten. Die 4-mm-Prüfspitze der meisten Standard-Messleitungen passt mit genügend Gewalt auch in das Loch. Dabei werden aber die Kontakte nachhaltig verbogen!
Nicht erwähnt hat der Anfragende die Isolationswiderstandsmessung. Diese kann auch in zusammengesteckten Zustand (also Zuleitung und Netzteil) durchgeführt werden. Die Netzteile müssen die rund 500 V DC unbeschadet über sich ergehen lassen können.
Bei der Schutzleiterstrom-Messung im Differenzstrom-Messverfahren (Bild, rechts) konnte dann ja zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass die EMV-Filterbeschaltung arbeitet und zu einem Differenzstrom von 0,17 mA führt. Sollte dieser Wert in beiden Steckerpositionen annähernd gleich sein, so ist vermutlich die Filterbeschaltung in Ordnung.
Wenn es nun noch berührbare Metallteile am Netzteil gibt, dann wären diese noch auf Berührungsstrom hin abzutasten. Der Klein-spannungsstecker wird, sollte er irgendwie geerdet sein, dann einen viel zu hohen Messwert erzeugen. Dem entsprechend wäre der Klein-spannungsstecker dann nicht abzutasten.
Liegt ein Organisationsverschulden vor?
Jede befähigte Person muss weisungsfrei gestellt sein. Es ist genauso notwendig, dass die befähigte Person beim Feststellen und Klären von Mängeln in der Organisationsstruktur bestmöglich unterstützt wird. Eine Anmeldung von Bedenken muss der Unternehmer ernst nehmen und seine VEFK muss den Sachverhalt klären und Rückmeldung geben. Ansonsten kann man sich das Prüfen auch sparen – wenn keine Fehler gefunden werden dürfen und nur bei Personengefährdung das Sperren des Gerätes möglich.
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