Die IEC 61851-23 stellt hohe Anforderungen an den Überspannungsschutz in DC-Schnellladestationen. Schutzmaßnahmen müssen exakt auf die Normen der IEC 61643-Reihe abgestimmt sein – einfache Bauteillösungen reichen nicht mehr aus. Entscheidend sind geprüfte SPDs mit spezifischen Eigenschaften wie optimiertem Schutzpegel, Nichtansprechen bis 1200 V und Kurzschlussfestigkeit bis 100 kA. Innovative Lösungen wie vorsicherungsfreie Ableiter auf ACI-Basis bieten praxisgerechte Antworten auf diese Herausforderung.

High-Power-Charging-Stationen sind ein wesentlicher Bestandteil der modernen Infrastruktur und spielen eine entscheidende Rolle in der Energiewende. Diese Hochleistungsladestationen verkürzen Ladezeiten und erhöhen die Verfügbarkeit von Ladestationen, was die Akzeptanz und Verbreitung von Elektrofahrzeugen erheblich fördert. Auch die Standardisierung folgt diesem Trend. Im Dezember 2023 trat die IEC 61851-23 [1] in Kraft. Die Produktnorm für Gleichstrom-Schnellladesysteme bis 1500 V DC, wie sie an Autobahnraststätten oder auch an Supermärkten bereits weit verbreitet sind. Die Einführung dieser Norm markiert einen bedeutenden Schritt in Richtung einer einheitlichen und sicheren Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. Sie definiert nicht nur die technischen Anforderungen, sondern auch die Sicherheitsstandards und Schutzmaßnahmen, die für den Betrieb solcher Ladesysteme unerlässlich sind. Dazu gehört auch der Überspannungsschutz.

Anforderungen an den Überspannungsschutz gemäß IEC 61851-23

Bild 1: Schema zur Einhaltung des Schutzpegels

Dieses Regelwerk stellt spezifische Anforderungen an Überspannungsschutz. Sowohl energietechnische als auch kommunikationstechnische Leitungen werden darin als schützenswert angesehen. Es wird genau definiert, dass die Maßnahmen zum Schutz bei Blitzbeeinflussung und vor Überspannungen den gültigen Produktnormen der IEC-61643-Reihe entsprechen müssen. Somit ist es nicht ausreichend, diese Anforderungen durch einzelne Bauteile wie Varistoren, Gas-ableiter oder TVS-Dioden zu realisieren. Zudem wird in Kapitel 12.7.102 der IEC 61851-23 explizit auf den neuen Teil 41 der IEC 61643 für Gleichstromanwendungen verwiesen. Die IEC 61643-41 [2] gilt für Überspannungsschutzgeräte (Surge Protective Devices, SPDs) zum Schutz von Gleichstrom-Niederspannungssystemen bis 1500 V und legt Anforderungen, Prüf- und Bemessungsverfahren fest. Sie definiert Prüfverfahren wie Kurzschlusstests, Überlastprüfung und Prüfung der thermischen Stabilität.

Einer der wichtigsten technischen Parameter von SPDs ist der sogenannte Schutzpegel (Up). Dieser Wert definiert den maximalen Spannungspeak, der an angeschlossenen elektrischen Geräten bei einem definierten Nennableitstoßstrom (8 / 20 µs) innerhalb des Schutzbereichs nahe des Überspannungsschutzgeräts auftreten kann und muss mit der Stoßspannungsfestigkeit des Equipments koordiniert sein.

Sowohl der Nennableitstoßstrom als auch der Schutzpegel werden vom Hersteller der Schutzgeräte in den technischen Unterlagen spezifiziert. Der Schutzpegel wird in der IEC 61851-23 mit maximal 2,5 kV gegen Erde angegeben, was bei einer maximalen Dauerspannung von 1,5 kV eine durchaus herausfordernde Aufgabe darstellt. Dennoch ist dieser Schutzpegel erforderlich, um die empfindliche Elektronik sowohl in der Schnellladeeinrichtung als auch im Elektrofahrzeug zu schützen. Dies gilt für die gesamte Ladeinfrastruktur (Bild 1).

Werden vom Hersteller der Ladeinfrastruktur keine werkseitigen Maßnahmen zum Schutz vor Blitzströmen oder Überspannungen integriert, so ist er verpflichtet, in der Dokumentation die notwendigen Informationen zur korrekten Auswahl der entsprechenden Geräte bereitzustellen. Diese Informationen müssen es dem Installateur ermöglichen, den Schutz unkompliziert nachzurüsten. Dazu gehören Angaben zu den geprüften Komponenten sowie relevanten Parametern.

Um die Geräte vor Überlastung durch zu hohe Kurzschlussströme zu schützen, wurden in den bisherigen Schnellladesystemen oft Überspannungsableiter aus dem Bereich Photovoltaik mit entsprechenden DC-Vorsicherungen verwendet. Dies ist entsprechend IEC 61851-23 explizit nicht mehr zulässig. Grund hierfür ist, dass die Zwischenkreisspannung des Inverters kurzzeitig bis zu 1200 V annehmen kann. Bei konventionellen Photovoltaik-Überspannungsschutzgeräten kann durch den internen Aufbau mit Varistoren ein Leckstrom gegen Erdpotential nicht verhindert werden. Dies hat eine negative Beeinflussung der Isolationsüberwachung zur Folge.

Durch einen alternativen technischen Aufbau, wie beispielsweise mit Hilfe eines Gas­ableiters (GDT) der gegen das Erdpotential als galvanische Trennung geschaltet wird, kann dies unterbunden werden. Hierdurch kann auch die ausdrückliche Forderung der IEC 61851-23 nach einem Nichtansprechen des SPD bis zu einer Spannung von 1 200 V erfüllt werden. Ebenso wird explizit nach einem Überspannungsschutzgerät für DC-Spannungen entsprechend Produktnorm IEC 61643-41 verlangt.

Zwei Energiequellen sind Herausforderung

Bild 2: Schema zur Kurzschlussbetrachtung

Prinzipiell gibt es bei der Ladeinfrastruktur zwei Energiequellen, die zu einem Stromfluss führen können. Dies ist insbesondere für die Kurzschlussbetrachtung wesentlich (Bild 2). Während des normalen Ladevorgangs wird der Stromfluss von der Ladeinfrastruktur zum Elektrofahrzeug erfolgen. Eine Betrachtung zum Kurzschlussschutz ist auch hier notwendig. Durch die begrenzende Wirkung der Stromquelle der Ladesäule ist dieser jedoch meist auf den Ladestrom limitiert. Ganz anders sieht es bei der Batterie des Elektrofahrzeugs aus. Hier muss mit Kurzschlussströmen bis zu 70 kA gerechnet werden, was bei der Auswahl der Vorsicherungen zum Schutz der Überspannungsgeräte beachtet werden muss.

Diese Sicherungen sind aktuell nur von einer begrenzten Anzahl von Herstellern verfügbar, was sie aufgrund der hohen Nachfrage sehr teuer macht. Ebenso wird auch immenser Bauraum für den Einbau der Sicherungen in der ohnehin schon vollgepackten Ladesäule benötigt.

Diese Anforderungen erfordern DC-Überspannungsschutzgeräte, die auf die Bedürfnisse der Hersteller von Ladeeinrichtungen zugeschnitten sind und den aktuellen Normen für Gleichstrom-Niederspannungssysteme entsprechen.

Effiziente Schutzlösung

Bild 3: Modularer Kombi-Ableiter für Gleichstromanwendungen: Dehnguard ME DC Y 1000 FM

Bild 3 zeigt ein Schutzgerät, dass allen Anforderungen gerecht wird. Das Gerät hält sowohl den geforderten Schutzpegel von ≤ 2,5 kV ein und kann mit einer ausgewiesenen Vorsicherung bis zu einem erwarteten Kurzschlussstrom von 100 kA eingesetzt werden. Auch die Forderung nach dem Nichtansprechen bis 1 200 V DC erfüllt der Dehnguard. Mit nur vier Teilungseinheiten zum Schutz des positiven und des negativen Potentials ist der Ableiter sehr kompakt aufgebaut. Einzig die externen Vorsicherungen benötigen zusätzlichen Platz in der Ladeeinheit.

Vorsicherungsfreier Überspannungsschutz für Schnellladestationen

Häufig führt der Platzbedarf der Sicherungen zu großen Herausforderungen für die Hersteller von Ladeinfrastruktur. Durch die ACI-Technologie (Advance Circuit Interruption), welche bereits im Bereich der Wechselspannung erfolgreich als Sicherungsersatz für Überspannungsschutzgeräte etabliert ist, konnte ein kompaktes vorsicherungsfreies SPD mit nur sechs Teilungseinheiten entwickelt werden.

Das Schutzgerät (Bild 4) erfüllt die Anforderungen der IEC 61851-23 und kann bis zu einem maximalen Kurzschlussstrom von 100 kA ohne externe Vorsicherungen eingesetzt werden. Es ist ein modularer Typ-2-Überspannungsableiter, der speziell für Hochleistungsladesysteme und Schnellladestationen konzipiert wurde. Er bietet maximalen Schutz für maximale Ladeleistung. Aufgrund der integrierten ACI-Technologie entfällt die externe Sicherung, was Platz spart und die Dimensionierung erheblich vereinfacht.

Fazit

Bild 4: Ohne externe Vorsicherung für den Einsatz in Hochleistungsladestationen: Dehnguard M DC ACI 1250 FM

Die Implementierung der neuen Produktnorm IEC 61643-41 ist ein weiterer wesentlicher Schritt für eine standardisierte und sichere Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. Sie spezifiziert nicht nur die technischen Anforderungen, sondern auch die Sicherheitsstandards und Schutzmaßnahmen, die für den Betrieb solcher Ladesysteme unerlässlich sind. Dies ist ein entscheidender Schritt hin zu einer flächendeckenden und benutzerfreundlichen Ladeinfrastruktur, die den Übergang zu einer nachhaltigen Mobilität unterstützt.

Innovative Entwicklungen im Bereich der DC-Schutzgeräte tragen maßgeblich zur Effizienz und Sicherheit moderner Ladeinfrastrukturen bei und erfüllen vollumfänglich die Anforderungen der IEC 61851-23. Die Implementierung der ACI-Technologie erlaubt es zudem, Platzprobleme durch vorsicherungsfreien Einsatz zu eliminieren und gleichzeitig höchste Sicherheitsstandards einzuhalten, was Herstellern von Ladeeinrichtungen erhebliche Vorteile bei der Planung und dem Bau von Ladesystemen bietet.

 

Quellenverzeichnis

  • [1] IEC 61851-23 / E DIN EN 61851-23 (VDE 0122-2-3):2018-03 Konduktive Ladesysteme für Elektrofahrzeuge – Teil 23: Gleichstromladestationen für Elek-trofahrzeuge
  • [2] IEC 61643-41 / E DIN EN IEC 61643-41 (VDE 0675-6-41):2025-05 Überspannungsschutzgeräte für Niederspannung – Teil 41: Überspannungsschutzgeräte für den Einsatz in Niederspannungs-Gleichstromanlagen – Anforderungen und Prüfungen

Autor

Patrick Spangler, Head of Product Management Red/Line, Dehn SE

 

Quelle und Bildquelle: www.elektro.net