Nahezu permanent verfügbare Strom- und Kommunikationsnetze sind zwingend notwendig für die »all electric society«. Deshalb gilt es festzulegen, welches Niveau an Resilienz gegen Störungen und Ausfälle der Netze wir uns als Gesellschaft in Bezug auf diese kritischen Infrastrukturen leisten können und wollen. Eine VDE-Studie befasst sich dabei speziell mit den gegenseitigen Abhängigkeiten zwischen Strom- und Kommunikationsnetzen und gibt gezielte Handlungsempfehlungen.
Strom- und Kommunikationsnetze gelten heute als Teil kritischer Infrastrukturen. Ziel einer VDE-Studie in Form eines sogenannten Impulspapiers ist es, die wechselseitigen Abhängigkeiten dieser Netze zu analysieren und Empfehlungen zur Stärkung ihrer Resilienz zu geben. Sie trägt die Bezeichnung »Mehr Resilienz für die Strom- und Kommunikationsnetze in Deutschland – wie gehen wir mit den zunehmenden gegenseitigen Abhängigkeiten um?«
Das Ziel dieser VDE-Studie ist die Stärkung der Resilienz von Energie- und Telekommunikationsnetzen. Resilienz wird verstanden als die Fähigkeit eines Systems, Veränderungen und Störungen zu bewältigen, mit ihnen umzugehen, sich anzupassen und sich zu erholen. Im Englischen wird dies mit den Begriffen »Resistance« und »Recovery« beschrieben.
Gefahren für öffentliche Netze
Mit zunehmenden extremen Wetterereignissen und der Gefahr von Cyberangriffen entstehen neue Risiken für diese wechselseitig abhängigen Systeme. Es stellt sich die Frage, wie widerstandsfähig Strom- und Kommunikationsnetze künftig sein müssen, um Störungen und Katastrophen zu bewältigen. Zudem gilt es, eine Fehlerfortpflanzung zwischen den Sektoren zu vermeiden.
- Beispiel 1: Ein Verteilnetzbetreiber benötigt zuverlässige Sprachverbindungen zu seinem Betriebspersonal im Feld. Er vereinbart mit einem Mobilnetzbetreiber die Ausrüstung bestimmter Basisstationen mit erweitertem Batterie-Back-up, muss sich dafür allerdings mit einem nennenswerten Betrag an den Investitionen beteiligen. So bleibt die Sprachkommunikation auch bei einem Ausfall des Stromnetzes für eine bestimmte Zeit gesichert.
- Beispiel 2: Durch die Flutwellen beim Hochwasser im Rheinland und an der Ahr 2021 werden die Infrastruktur und die Netztechnik von Strom- und Kommunikationsnetzen massiv zerstört. Stromversorgung und öffentliche Telekommunikationsdienste fallen großräumig aus.
Grundsätzlicher Netzbetriebszustand
Es ist also laut Impulspapier erkennbar, anhand der zwei zuvor genannten Beispiele zu unterscheiden zwischen Normalbetrieb (Tabelle 1) und Katastrophenfällen (Tabelle 2) in Strom- und Telekommunikationsnetzen. Im Normalbetrieb sorgen technische und betriebliche Maßnahmen für eine zuverlässige Energie- und Kommunikationsversorgung. Trotz möglicher Störungen (z. B. technische Defekte, Cyberangriffe) bleiben Auswirkungen meist begrenzt. Katastrophenfälle hingegen umfassen großflächige Störungen durch Naturkatastrophen, Cyberangriffe oder Sabotage. Sie erfordern neben Prävention neue Strategien für eine schnelle Wiederherstellung der Versorgung. Die Herausforderungen in solchen Szenarien sind erheblich komplexer als im Normalbetrieb (Bild 1).

Bild 1: Methodische Herangehensweise bei der Analyse kritischer Infrastrukturen (KRITIS) – es wird bewusst auf eine allzu detaillierte Darstellung verzichtet
Technische Entwicklung der Stromnetze
Die Energiewende verändert die Struktur der Stromnetze grundlegend. Dezentralisierung und Digitalisierung erhöhen die Bedeutung der Telekommunikation für die Netzstabilität. Während früher zentrale Großkraftwerke dominierten, erfolgt die Stromerzeugung heute zunehmend dezentral über Wind- und Solaranlagen (Bild 2). Zunehmende Elektrifizierung (E-Mobilität, Wärmepumpen) und neue Speichersysteme verändern zudem das Verbrauchsverhalten (Bild 3). Dies führt zu einer steigenden Sektorenkopplung zwischen Strom-, Gas-, Wärme- und Verkehrssektoren.

Bild 2: Entwicklung der Stromnetze (schematisch, stark vereinfacht) mit Angaben zur betrieblichen Telekommunikation
Die Kommunikationsanforderungen wachsen stark: Steuerung von Einspeisern, Lastmanagement, Netzprognosen und Systemstabilität benötigen zuverlässige, schnelle und schwarzfallfeste Netzwerke. Besonders wichtig sind sichere Glasfaser- und Mobilfunklösungen, ergänzt durch redundante Infrastrukturen.
Technische Entwicklung der Kommunikationsnetze
Die Telekommunikationsnetze durchlaufen einen raschen technologischen Wandel, geprägt von All-IP-Umstellungen, Glasfaserausbau und neuen Mobilfunkgenerationen (5G, künftig 6G). Der steigende Bedarf an Bandbreite führt zu einer verstärkten Nutzung optischer Netze und Satellitenkommunikation. Telekommunikationsnetze sind auf eine stabile Stromversorgung angewiesen, wobei zentrale Knoten oft notstromgesichert sind, während viele Mobilfunkstationen bei Stromausfällen schnell ausfallen. Gleichzeitig werden Netzstrukturen durch höhere Frequenzbereiche und kleinere Funkzellen verdichtet, zusätzliche Standorte müssen mit Energie versorgt werden (Bild 4).
Die Digitalisierung verändert die Sicherheitsanforderungen. Mit zunehmender Nutzung von Over-the-Top-Diensten (z. B. WhatsApp, Streaming) steigt die Abhängigkeit von zuverlässigen Internetverbindungen. Unternehmen und Behörden setzen verstärkt auf hochverfügbare Glasfasernetze. Da Notstromlösungen oft nur zentrale Knoten sichern, führen großflächige Stromausfälle zu massiven Kommunikationsstörungen. Zukünftig sind widerstandsfähigere Netze erforderlich, die erneuerbare Energien nutzen und Schwarzfallfestigkeit gewährleisten. Die enge Verzahnung von Telekommunikations- und Stromnetzen macht eine koordinierte Resilienzstrategie unerlässlich.

Bild 4: Entwicklung der Kommunikationsnetze (schematisch, stark vereinfacht) mit Angaben zur Stromversorgung
Beispielhafte Betriebsszenarien
Die Analyse beschreibt die Abhängigkeiten zwischen Strom- und Telekommunikationsnetzen und untersucht sechs Betriebsszenarien:
- Normalbetrieb der Stromnetze
- Stromnetzbetrieb in Katastrophenfällen
- Öffentliche TK-Netze im Normalbetrieb und bei Stromausfällen
- TK-Netze bei Katastrophen und massiver Infrastrukturzerstörung
- Cyberangriffe auf Stromnetze
- Physische Zerstörung von Infrastruktur.
Fazit
Deutschland verfügt über zuverlässige Strom- und Kommunikationsnetze, deren Resilienz jedoch angesichts zukünftiger Herausforderungen weiterentwickelt werden muss. Mindeststandards sollten für alle Netzbetreiber gelten, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Die Zusammenarbeit zwischen Sektoren, Behörden und Industrie ist entscheidend, um den technologischen Wandel erfolgreich zu gestalten.
Der VDE unterstützt diesen Prozess durch Forschung, Weiterbildung, Standardisierung und politischer Beratung. Nur durch gezielte Maßnahmen können die Netze auch in Zukunft ihre zentrale Rolle für eine stabile Gesellschaft erfüllen.
Autor
Dipl.-Ing. (FH) Michael Muschong, Redaktion »de«, anhand von Unterlagen des VDE ETG/ITG