Die deutsche Energielandschaft befindet sich in einem rasanten Wandel. Mit dem „Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts zur Vermeidung von temporären Erzeugungsüberschüssen“, umgangssprachlich als „Solarspitzen-Gesetz“ bekannt, und dem umfassenden „Solarpaket I“ hat der Gesetzgeber die Weichen für die nächste Phase des Solarausbaus neu gestellt. Für Fachbetriebe, Planer und Betreiber – von der großen Aufdachanlage bis zum Balkonkraftwerk – markieren diese Änderungen eine signifikante Verschiebung: weg von der reinen Einspeisung, hin zu einem integrierten System aus Erzeugung, Eigenverbrauch, Speicherung und intelligenter Steuerung.

Das „Solarspitzen-Gesetz“: Netzengpässe aktiv managen
Seit seinem Inkrafttreten am 25. Februar 2025 adressiert das „Solarspitzen-Gesetz“ gezielt die Herausforderung von Erzeugungsspitzen und Netzstabilität. Die Regelungen betreffen primär Neuanlagen und zielen darauf ab, eine Überlastung der Stromnetze an besonders sonnenreichen Tagen zu verhindern. Für die Praxis ergeben sich daraus folgende Kernpunkte:
- Ende der Vergütung bei negativen Strompreisen: Die wohl gravierendste Änderung ist die Aussetzung der Einspeisevergütung, wenn die Preise an der EPEX-Spot-Börse für eine oder mehrere Stunden negativ sind. Dies schafft einen starken wirtschaftlichen Anreiz, den Strom in diesen Zeiten nicht ins Netz einzuspeisen, sondern lokal zu nutzen oder zu speichern. Betreiber werden so zu aktiven Marktteilnehmern.
- Temporäre Einspeisebegrenzung für Anlagen ohne Smart Meter: Um kurzfristig die Netzbelastung zu reduzieren, wird die maximale Einspeiseleistung für neue PV-Anlagen ohne intelligentes Messsystem (iMSys) und Steuerungseinheit auf 60 % der Nennleistung begrenzt. Diese Drosselung ist als Übergangslösung gedacht und entfällt, sobald die Anlage „smart-meter-ready“ ist und vom Netzbetreiber ferngesteuert werden kann.
- Pflicht zum intelligenten Messsystem (iMSys): Für Neuanlagen über 7 kWp Leistung ist der Einbau eines iMSys obligatorisch. Dies ist die technologische Grundlage für die variable Einspeisung und die Partizipation an einem flexiblen Energiemarkt. Fachbetriebe müssen sich entsprechend auf die Installation und Anbindung dieser Systeme einstellen.
Die Botschaft des Gesetzgebers ist klar: Die passive Einspeisung von Solarstrom zu jeder Zeit weicht einem aktiven Management. Dies erhöht die Bedeutung von Batteriespeichern und Energiemanagementsystemen (EMS) erheblich, die es ermöglichen, Erzeugungsspitzen zu kappen (Peak Shaving) und den Strom für den späteren Verbrauch zu sichern.
Vom Einspeiser zum Stromhändler: Die neue Attraktivität der Direktvermarktung
Eine der strategisch wichtigsten Neuerungen des „Solarpaket I“ ist die massive Vereinfachung der Direktvermarktung für kleinere PV-Anlagen. Damit wird der direkte Verkauf des eigenen Solarstroms an der Strombörse (über einen Dienstleister) zu einer lukrativen Alternative zur festen Einspeisevergütung.
Was ändert sich konkret?
- Risikominimierung durch „unentgeltliche Abnahme“: Die größte Hürde für Direktvermarkter bei kleinen Anlagen war das Vermarktungsrisiko. Nun ist der Netzbetreiber gesetzlich verpflichtet, Strom auch dann physisch abzunehmen, wenn er nicht vermarktet werden kann (z.B. bei negativen Preisen) – allerdings ohne Vergütung. Diese garantierte Abnahme („unentgeltliche Abnahme“) senkt das Risiko für die Vermarkter enorm und macht Verträge für kleinere Anlagen (typischerweise ab ca. 10-25 kWp) erst attraktiv.
- Potenziell höhere Erlöse: Anstatt eines starren Vergütungssatzes erhalten Anlagenbetreiber den tatsächlichen Börsenstrompreis zuzüglich einer Marktprämie. In Zeiten hoher Strompreise können die Einnahmen so die feste EEG-Vergütung deutlich übersteigen.
- Betreiber Strom bei niedrigen oder negativen Preisen speichern und ihn bei hohen Preisen gezielt ins Netz verkaufen. Dies macht die Anlage zu einem aktiven Instrument im Energiemarkt.
Das „Solarpaket I“: Beschleunigung durch Bürokratieabbau
Parallel zum Fokus auf Netzstabilität zielt das „Solarpaket I“ darauf ab, den Zubau von Photovoltaikanlagen durch massive Vereinfachungen und Entbürokratisierung zu beschleunigen. Neben Regelungen zur gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung und zur Direktvermarktung stechen vor allem die Änderungen für Steckersolargeräte hervor.
Turbo für den Balkon: Die Revolution der Balkonkraftwerke.
Siehe auch Fachbeitrag:“ Balkonkraftwerke im Regulatorischen Spannungsfeld (folgt demnächst)“
Das „Solarpaket I“ hat die Hürden für die Installation und den Betrieb von Balkonkraftwerken drastisch gesenkt und damit einen regelrechten Boom ausgelöst. Für Mieter und Eigentümer ist die dezentrale Stromerzeugung so einfach wie nie zuvor.
Die wichtigsten Änderungen im Detail:
- Mehr Leistung: Die erlaubte Einspeiseleistung des Wechselrichters wurde von 600 Watt auf 800 Watt angehoben. Gleichzeitig darf die installierte Gesamtleistung der Module nun bis zu 2.000 Wattpeak (Wp) betragen. Diese Überdimensionierung („Overpaneling“) sorgt dafür, dass die 800-Watt-Grenze auch bei schwächeren Lichtverhältnissen früher und länger am Tag erreicht wird, was den Gesamtertrag deutlich steigert.
- Radikal vereinfachte Anmeldung: Die bisherige, oft komplizierte Doppel-Anmeldung beim Netzbetreiber und im Marktstammdatenregister (MaStR) ist Geschichte. Jetzt ist nur noch eine einfache, auf wenige Datenpunkte reduzierte Registrierung im MaStR erforderlich. Die Bundesnetzagentur informiert den Netzbetreiber automatisch.
- Kein Warten mehr auf den Zählertausch: Alte Ferraris-Zähler (die schwarzen Zähler mit Drehscheibe) dürfen übergangsweise weiterlaufen, bis der Messstellenbetreiber sie turnusmäßig durch einen modernen Zweirichtungszähler ersetzt. Ein eventuelles Rückwärtslaufen des Zählers wird für diesen Zeitraum geduldet. Damit entfällt die Wartezeit auf den Elektriker des Netzbetreibers, und die Anlage kann sofort nach der Installation in Betrieb gehen.
- Der Schukostecker ist der neue Standard: Die lange geführte Debatte um den „richtigen“ Stecker wurde beendet. Der Anschluss über einen handelsüblichen Schukostecker ist nun allgemein akzeptiert und soll durch eine technische Norm final standardisiert werden. Dies erleichtert die Installation für Laien erheblich.
Fazit für die Praxis: Das integrierte Energiesystem ist der neue Standard
Die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen zementieren einen Paradigmenwechsel. Die Planung einer PV-Anlage – egal welcher Größe – muss heute von Anfang an als integriertes Gesamtsystem gedacht werden. Die reine Betrachtung von kWp-Leistung und Einspeisevergütung ist obsolet.
Der Fokus für Planer und Installateure muss auf einer ganzheitlichen Bedarfsanalyse des Kunden liegen:
- Lastprofil analysieren: Wann und wie viel Energie wird im Haushalt verbraucht?
- PV-Anlage und Speicher dimensionieren: Die Anlage sollte so ausgelegt sein, dass ein maximaler Eigenverbrauchsanteil erreicht wird. Der Speicher wird zur zentralen Komponente, um die Volatilität der Erzeugung auszugleichen.
- Intelligentes Energiemanagement implementieren: Ein EMS, das die Stromflüsse von PV-Anlage, Speicher, Haushalt und E-Auto-Ladestation optimiert, ist unerlässlich, um auf Preissignale zu reagieren und die 60-%-Regelung zu managen.
Für das Fachhandwerk bedeutet dies eine Erweiterung des Kompetenzprofils. Tiefgehendes Wissen über Speichertechnologien, intelligente Messsysteme und digitale Vernetzung wird zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Die massive Vereinfachung bei Balkonkraftwerken eröffnet zudem ein riesiges neues Marktsegment, das schnelle und standardisierte Installationsprozesse erfordert. Die neuen Gesetze sind somit nicht nur eine technische und regulatorische Herausforderung, sondern vor allem eine Chance, sich als kompetenter Partner für die dezentrale Energiewende der Zukunft zu positionieren.
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Autor: Uwe Barein, Referent/Schulungsmanager eAcademy by Mitegro
