Praxisfrage
Bei der Überprüfung einer Elektroanlage habe ich feststellen müssen, dass durchgängig unterschiedliche Stromkreise unterschiedlicher Fehlerstrom-Schutzschalter in einer gemeinsamen Leitung verlegt wurden (Bild). Ebenso wurden Steckdosen unterschiedlicher Stromkreise und Fehlerstrom-Schutzschalter unter einer gemeinsamen Abdeckung zusammengelegt. War das so jemals zulässig?
Expertenantwort
Normative Basis

Bild: Fotos zur Anfrage – links oben: Aufputz Installation von Schalter und Steckdose unterschiedlicher Stromkreise; rechts oben und unten: Unterputzinstallation von Einbaugeräten unterschiedlicher Stromkreise
Für die Beantwortung der Fragen lege ich die aktuelle Norm DIN VDE 0100-520:2023-06 zu Grunde. Es geht hier hauptsächlich um zwei Fragen, die ich unter anderem an den mitgelieferten Bildern beantworten möchte.
Unterschiedliche Stromkreise, unterschiedliche Fehlerstrom-Schutzschalter in einer gemeinsamen Leitung.
Laut DIN VDE 0100-520 sind mehrere Stromkreise in einer Leitung zulässig, wenn alle Leiter für die höchste vorkommende Nennspannung isoliert sind. Die Leiter eines Stromkreises dürfen jedoch nicht auf verschiedene mehradrige Kabel oder Leitungen verteilt werden. Zudem ist die Zuordnung eines gemeinsamen Neutralleiters für mehrere Hauptstromkreise nicht zulässig.
Hinweise zu mehreren Stromkreisen in einer Leitung
Das Bild zeigt oben rechts den Anschluss einer Schalter-Steckdose-Kombination. Bei der Verwendung von einer fünfadrigen Leitung (z. B. NYM-J 5 x 1,5) sind die oben genannten Bedingungen erfüllt, wenn es sich bei dem Schalter um einen Aus-Schalter handelt. Die weitere Verdrahtung ist nicht zu sehen und müsste zusätzlich überprüft werden.
Die im Bild rechts oben und unten gezeigte Installation wäre zulässig, wenn eine Zuleitung mit zwei Außenleitern und zwei Neutralleitern verwendet werden würde. Die Verwendung nur eines Schutzleiters ist erlaubt. In Frage käme zum Beispiel eine NYM-Leitung des Typs NYM-J 7 x 1,5.
Laut DIN VDE 0100-510 muss bei Leitungen mit mehr als fünf Adern jeder Leiter durch Farbe oder durch numerische Zeichen gekennzeichnet sein. Leiter, die durch Zahlen gekennzeichnet sind und als Neutralleiter verwendet werden, müssen an jedem Leiterende blau gekennzeichnet werden. Schutzleiter müssen die Zwei-Farben-Kombination Grün-Gelb über die gesamte Länge aufweisen. Auch für dieses Beispiel müsste die vorhandene Verdrahtung überprüft werden. Für alle gezeigten Beispiele, wird angenommen, dass der geforderte Spannungsfall eingehalten wird.
Möglichkeit der allpoligen Trennung
Zu beachten wäre jetzt noch die Möglichkeit der allpoligen Trennung der Außenleiter aller betroffener Stromkreise. Hier verweist DIN VDE 0100-520 auf die Normen DIN VDE 0100-460 »Trennen und Schalten« und DIN VDE 0100-530 »Schalt- und Steuergeräte«.
Gemäß DIN VDE 0100-460 muss jeder Stromkreis mit einer Einrichtung versehen werden, die eine Trennung aller aktiven Leiter ermöglicht. Mehrere Stromkreise dürfen durch gemeinsame Betriebsmittel getrennt werden, wenn es die Betriebsbedingungen erlauben. Für diese Stromkreise kann zum Beispiel ein geeigneter Hauptschalter verwendet werden.
Kommen wir noch zu den unterschiedlichen Stromkreisen – ggf. mit unterschiedlichen Fehlerstrom-Schutzschaltern – unter einer gemeinsamen Abdeckung. Bei vorhandener Dokumentation stellt dies keine besondere Gefährdung dar, weil anfallende Arbeiten an den Steckdosen nur von Elektrofachkräften unter Beachtung der fünf Sicherheitsregeln durchgeführt werden dürfen.
Fazit
Ohne die Art der Installation zu präferieren, muss ich feststellen, dass die vorgefundene Installation bei Beachtung der anerkannten Regeln der Technik auch heute noch zulässig ist. Allerdings lässt sich ohne eine genaue Prüfung der Anlage vor Ort keine abschließende Beurteilung der Anlage vornehmen.
Autor
Reinhard Soboll, Bereichsleiter »Seminare und Normenwissen« am BFE Oldenburg. VdS-anerkannter Sachverständiger zum Prüfen elektrischer Anlagen