Die unprofessionelle Planung und nicht vorschriftenkonforme Installation von Photovoltaikanlagen und der dazugehörigen elektrischen Anlagenteile bergen ein hohes Schadensrisiko. Dieses umfasst dabei nicht nur die PV-Anlage (PVA) selbst, sondern auch Gebäude- bzw. Gebäudeteile mit den sich darin befindenden Menschen und Sachwerten.
Dieser Beitrag gibt die Sicht der Sachversicherer von Industrie- und Gewerbeobjekten auf die Risikoerhöhung infolge des Aufbaus einer Dach-PV-Anlage wieder. Dabei steht die Versicherung des Gebäudes, Inventars und eine mögliche Betriebsunterbrechung nach einem Brandschaden in produzierenden Betrieben im Vordergrund der Betrachtung.
Sachversicherung von Industrieobjekten
Durch Brandereignisse in Industrieanlagen und Gebäuden werden immer wieder Schadenfälle verursacht, deren Höhe laut GDV die Schadensumme von 100 Mio. € überschreiten. Aktuell wird in den Medien sehr ausführlich über den Brand eines Schulzentrums in Erkrath berichtet. Die Brandursache ist laut Presseberichten ein technischer Defekt der PVA, die schnelle Brandausbreitung über den Dachbereich hat zum Totalverlust des Schulzentrums geführt. Um für den Sachversicherer die Risiken zu bewerten und in Zusammenarbeit mit dem Kunden zu minimieren, führen die Versicherungsunternehmen bei Industrie- und größeren Gewerbeobjekten regelmäßige Brandschutzbesichtigungen durch. Dabei werden Risikoberichte sowie Maßnahmenkataloge zur Verbesserung der Risikosituation erstellt. Um einen Versicherungsschutz anbieten und dauerhaft zur Verfügung stellen zu können, sind viele dieser Maßnahmen vom Kunden verpflichtend umzusetzen. Die Bewertung des baulichen Brandschutzes spielt hierbei eine wesentliche Rolle.
Es werden die Bauart des Gebäudes und das Brandverhalten der Baustoffe berücksichtigt. Da die Brandausbreitung über den Dachbereich eine der häufigsten Ursachen für Großschäden ist, werden brennbare Dämmstoffe kritisch bewertet und brandschutztechnische Trennungen geprüft. Führt nun die Installation einer PVA zu einer deutlichen Erhöhung des Risikos, kann der Versicherungsschutz im Einzelfall nicht mehr angeboten werden (Bild 1). Somit müssen heute PVA bei der Risikobegehung durch den Sachversicherer in Augenschein genommen werden und sind ebenfalls Bestandteil der Prüfung der elektrischen Anlage durch den VdS-anerkannten Sachverständigen.
Typische Mängel bei der Besichtigung von PV-Dachanlagen
Durch den oftmals über viele Jahre entstandenen engen Kontakt zwischen den Brandschutzbeauftragten, technischen Mitarbeitern in den Industriebetrieben und den Risikoprüfern der Versicherungen werden die Sachversicherer häufig bereits im Planungsstadium über den Aufbau von PVA informiert. So können frühzeitig Anforderungen der Versicherer in die Planung einfließen und teure Nacharbeiten vermeiden werden.
Die grundsätzlichen Anforderungen an die Installation von PVA sind in der VdS 3145, spezielle Vorgaben zum Dachaufbau in der VdS 6023 beschrieben. So ist zu beachten, dass eine PVA im Fehlerfall (wie jede andere elektrische Anlage) eine Zündquelle für brennbare Materialien darstellt. Ein technischer Defekt kann einen Lichtbogen verursachen und brennbare Materialien auf dem Dach oder die Dachkonstruktion selbst entzünden. Die baurechtlich geforderte Anforderung an eine »harte Bedachung« berücksichtigt den Gleichstromlichtbogen als Zündquelle nicht. Weiterhin ist zu beachten, dass die Module mit deren Rückseitenfolien und Modulanschlussdosen selbst eine Brandlast darstellen (Bild 2).
Aus diesem Grund verlangen Sachversicherer häufig, dass PVA nur auf Dächern mit nicht brennbaren Dämmstoffen oder oberhalb einer nicht brennbaren Schicht installiert werden. Auch schränken viele Modulhersteller in ihren Montageanleitungen die Installation über brennbaren Dachbaustoffen ein.
Eine besondere Bedeutung für die brandschutztechnische Bewertung einer Anlage hat die Leitungsführung auf dem Dach. Werden DC-Leitungen oder Steckverbinder auf der Dachfläche abgelegt, besteht die Gefahr, dass eine schadhafte DC-Leitung oder das Versagen des Steckverbinders einen Brand zündet. Die DIN VDE 0100-712 (VDE 0100-712):2016-10 enthält eine entsprechende Regelung: »Kabel und Leitungen dürfen nicht direkt auf der Dachoberfläche verlegt werden«, heißt es im Abschnitt 712.521 Arten von Kabel- und Leitungssystemen (Bild 3).
Ein weiterer häufiger Mangel, der bei der Besichtigung von Industrie- und Gewerbeobjekten auffällt, ist die Montage von Anlagenkomponenten innerhalb einer feuergefährdeten Betriebsstätte. Hier werden die Wechselrichter in Lagerbereichen mit brennbaren Materialien oder direkt über leicht entzündlichen Stoffen installiert. Auch Betriebsräume von Batteriespeichern werden häufig nicht unter brandschutztechnischen Gesichtspunkten ausgewählt. Die DIN VDE 0100-420 :2022-06 enthält entsprechende Festlegungen: »422 Maßnahmen bei besonderen Brandrisiken/ 422.1.1 Elektrische Betriebsmittel müssen auf solche beschränkt werden, die für die Anwendung in diesen Betriebsstätten notwendig sind, …. / 422.1.2 Elektrische Betriebsmittel müssen so ausgewählt und errichtet werden, dass ihre Temperatur im bestimmungsgemäßen Gebrauch und die vorhersehbare Temperaturerhöhung im Fehlerfall ein Feuer nicht verursachen können« (Bild 4).
Ein häufiger Mangel ist unterlassene Wartung, Instandhaltung von PVA. Prüfungen werden nicht durchgeführt, Beschädigungen durch äußere Einflüsse wie Sturm, Hagel oder Aufprall von Gegenständen werden nicht erkannt. In einigen Fällen wird der Ausfall von Wechselrichtern über Monate nicht bemerkt, Störmeldungen sind nicht aufgeschaltet oder erreichen keinen Empfänger. Dadurch entsteht neben einem Ertragsverlust ein nicht zu kalkulierendes Brandrisiko für das Gebäude (Bild 5).
Umgang mit Ü20-PV-Anlagen
Eine immer öfter vorkommende Aufgabenstellung für Elektrofachkräfte besteht in der Beurteilung einer sog. Ü20-PV-Anlage. Dabei ist zu beurteilen und zu entscheiden, ob und inwieweit diese Anlagen instandgesetzt werden müssen, um einen sicheren Weiterbetrieb zu gewährleisten. Insbesondere durch Verschleiß an Kabel- und Leitungsanlagen können Personen- und Brandgefahren entstehen, und durch Alterung der Bauteile entstehen erhöhte Brandrisiken für Dächer von Industrie- und Gewerbeobjekten.
In den Jahren 2010 bis 2012 wurde erstmals bei den PVA ein jährlicher Zubau von ca. 7 GW Gesamtleistung erreicht. Es war bei vielen Besichtigungen erkennbar, dass zu diesem Zeitpunkt viele PVA unter großem Zeitdruck mangelhaft installiert und in Betrieb gesetzt wurden. Viele dieser Mängel sind bis heute nicht beseitigt worden und stellen mit zunehmender Alterung eine deutliche Erhöhung des Brandrisikos dar.
Reaktion der Sachversicherer
Die Ergebnisse der Begutachtung von PV-Installationen in den letzten 15 bis 20 Jahren zeigen, dass die Qualität der Materialien und Betriebsmittel sowie die Ausführung der Installationen stetig verbessert wurden. Die Wirkungsgrade der Wechselrichter und Module wurden gesteigert sowie Prüf- und Installationsnormen den technischen Entwicklungen angepasst. Die Versicherungswirtschaft begleitet diese Normenentwicklung aktiv und gibt eigene Richtlinien heraus.
VdS-Richtlinien
Um den Risikoprüfern der Versicherungswirtschaft und den Planern von PVA eine Hilfestellung bei der Bewertung und Planung von PVA und möglicher Schutzmaßnahmen zu geben, wurden VdS-Richtlinien erarbeitet und immer wieder aktualisiert. Die allgemeinen Anforderungen zu PVA sind in der VdS 3145 »Photovoltaikanlagen« beschrieben, die Richtlinie wurde überarbeitet, das Konsultationsverfahren ist abgeschlossen. Die Veröffentlichung wird für 7/2025 erwartet. Die VdS 6023 »Photovoltaik-Anlagen auf Dächern mit brennbaren Baustoffen« beschreibt die Anforderungen an Dachbaustoffe, falls auf Neu- oder Bestandsgebäuden eine PVA errichtet werden soll.
Kompensationsmaßnahmen und Schutzmöglichkeiten
In der Richtlinie VdS 6023 werden mögliche risikominimierende Maßnahmen für Dächer mit brennbaren Dämmstoffen oder Dachabschlüssen aufgelistet. Als bauliche Maßnahmen werden u. a. genannt:
- Austausch der Dachdämmung (brennbar -> nicht brennbar)
- Aufbringen einer nicht brennbaren Trennschicht z. B. Kiesschüttung, Blech, Mineralfaserdämmstoff.
Als technische Maßnahme wird die Installation eines Wechselrichters mit Gleichstrom-Lichtbogenerfassung und -unterbrechung nach UL1699B oder IEC/EN 63027 benannt (mit der Bestätigung, dass diese aktiviert wurde – keine autom. Wiedereinschaltung).
Erläuterung: Eine Gleichstrom-Lichtbogenerfassung und -unterbrechung (AFPE) nach IEC 63027 erkennt einen Lichtbogen im DC-Kreis der PVA und schaltet den betroffenen Strang ab. Sind die Leitungen und Steckverbinder fachgerecht installiert, sollten sich keine brennbaren Materialien entzünden können. Die meisten WR-Hersteller bieten diese Zusatzfunktion für Geräte größerer Leistung an. Die Lichtbogendetektoren sind nach der Norm IEC (EN) 63027 zertifiziert.
Hinweis: Da in der EU keine normative Verpflichtung zum Einsatz dieser Schutztechnik besteht, sind die Lichtbogendetektoren im Auslieferungszustand des WR deaktiviert und müssen durch den Inbetriebnehmer eingeschaltet werden! Daher ist aus Sicht der Sachversicherung eine Bestätigung des Errichterbetriebes erforderlich, dass die Lichtbogenüberwachung aktiviert wurde. Die Frage, ob eine automatische Wiedereinschaltung zugelassen werden kann, wird derzeit diskutiert. Zurzeit gilt die Empfehlung, keine automatische Wiedereinschaltung zuzulassen.
Andere Brandrisiken wie z. B. der doppelte Erdschluss oder eine gleichzeitige Beschädigung der + und – Leitung bestehen weiter. Diese Fehler treten vergleichsweise selten auf, und das Risiko kann durch einen fachgerechten Aufbau und eine ordnungsgemäße Instandhaltung minimiert werden.
Organisatorische Maßnahmen
Es empfiehlt sich die Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen mit regelmäßigen Prüfungen:
- Prüfung/Wartung nach VDE 0105-100 bzw. VDE 0126-23-1 und -2
- mindestens Durchführung einer 1/2-jährlichen Sichtkontrolle und nach besonderen Ereignissen, z. B. Sturm
- Empfehlung: jährliche Thermografie (Bilder 6 und 7)
- alle vier Jahre ist eine messtechnische Überprüfung der Anlage erforderlich.
Die Aufschaltung und Auswertung von Störmeldungen aus Anlagenschutzeinrichtungen und Gefahrenmeldeanlagen ist eine weitere Maßnahme:
- nach einem erkannten Fehler darf kein automatisches Wiedereinschalten erfolgen
- klare Meldewege sind einzurichten und regelmäßig zu testen
- je nach Meldung sind angepasste Interventionszeiten festzulegen
- bei temporärer Außerbetriebnahme von Anlagenschutz- bzw. Gefahrenmeldesystemen sind Ersatzmaßnahmen festzulegen.
Darüber hinaus wird der Abschluss eines Wartungsvertrages mit einem PV-Fachbetrieb empfohlen (Bild 8).
Diese Maßnahmen können von den Versicherungsunternehmen einzeln oder in Kombinationen als brandschutztechnische Voraussetzung für die Installation einer PVA auf einem Gewerbe-/Industrieobjekt gefordert werden. Alle normativen Anforderungen an die Installation müssen selbstverständlich vollständig erfüllt werden. Empfohlen wird die Überprüfung der Anlage nach Fertigstellung durch einen vom VdS anerkannten Sachverständigen für PVA.
Es erfolgt zurzeit eine Überarbeitung der Richtlinie VdS 6023. Die in den letzten Jahren weiterentwickelten Baustoffe wie z. B. feuerhemmende Abdeckungen aus Beschichtungsstoffen, Folie oder Mineralfasern werden aufgenommen. Auch werden neue Möglichkeiten der Branddetektion und Löschung auf dem Dach angeboten, diese sollen in der überarbeiteten Richtlinie ebenfalls beschrieben werden.
VdS 6023 Anhang A
Der Anhang A der Richtlinie soll den Mitarbeitern der Schadenverhütung eines Versicherungsunternehmens einen ersten Überblick über die Risiken der typischen Kombinationen aus Dachdämmstoffen und Dachabdeckungen in Verbindung mit dem Aufbau einer PVA geben.
Da diese Risiken in drei Stufen dargestellt wurden, ist dies eine sehr grobe Einteilung und bedarf in den allermeisten Fällen einer qualifizierten Detailprüfung. So unterscheiden sich brandschutztechnische Eigenschaften von Dämmstoffen auch innerhalb einer Produktgruppe erheblich. Neuentwicklungen und Brandversuche zeigen, dass Dämmmaterialien mit deutlich verbessertem Brandverhalten bereits am Markt angeboten werden.
Da die Richtlinie zurzeit überarbeitet wird, wird auch diese Einteilung an die gesammelten Anwendungserfahrungen und Brandversuche angepasst, es wird zurzeit ein Entwurf in den GDV-Arbeitskreisen diskutiert.
Normative Änderungen
Zurzeit erfolgt eine umfangreiche Überarbeitung der VDE 0100-712 »Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 7-712: Anforderungen für Betriebsstätten, Räume und Anlagen besonderer Art – Photovoltaik-(PV)-Stromversorgungssysteme«.
Dabei wird erstmals die Gleichstrom-Lichtbogenerfassung und -unterbrechung als eine Schutzmaßnahme beschrieben und als Möglichkeit zur Risikominimierung erwähnt. Heute eingesetzte DC-Bussysteme, Moduloptimierer und Batteriespeicher werden beschrieben und Anforderungen gestellt.
Dieser internationale Normenentwurf wird zurzeit in den DKE-Gremien diskutiert und soll nach Abschluss der Beratungen als nationaler Normenentwurf der Fachöffentlichkeit vorgestellt werden.
Die Bauministerkonferenz, Fachkommission Bauaufsicht, Arbeitskreis Technische Gebäudeausrüstung hat eine überarbeitete Muster EltBauVO herausgegeben »Muster einer Verordnung über den Bau von Betriebsräumen für elektrische Anlagen (EltBauVO) Fassung 22.2.2022«. Darin werden Anforderungen an Betriebsräume für Energiespeichersysteme > 20 kWh gestellt.
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