Praxisanfrage
In einem Baumarkt fand ich folgenden Leitungsschutzschalter, mit der Energiebegrenzungsklasse 1 (Bild). Das Gerät ist mit dem VDE-Symbol und einem CE-Kennzeichen versehen. Was sagen die Energieversorger sagen dazu?
Expertenantwort
Leitungsschutzschalter nach DIN EN 60898-1
In der Produktnorm DIN EN 60898-1 »Leitungsschutzschalter für Hausinstallationen und ähnliche Zwecke – Teil 1: Leitungsschutzschalter für Wechselstrom (AC)« werden Leitungsschutzschalter mit der Auslösecharakteristik B und C nach unterschiedlichen Energiebegrenzungsklassen eingeteilt. Die aktuelle Ausgabe der DIN EN 60898-1 von November 2020 sieht im Anhang ZA die beiden Energiebegrenzungsklassen 1 und 3 vor. In einer früheren Ausgabe aus dem Jahr 2006 war noch die Klasse 2 enthalten.
Leitungsschutz bei Kurzschluss
Bei einem Kurzschluss dient ein Leitungsschutzschalter zur sofortigen Abschaltung des Stromkreises und schützt Leiter sowie Isolierungen von Kabeln und Leitungen vor unzulässig hohen lokalen Überhitzungen aufgrund in sehr kurzer Zeit auftretender hoher Energie. In Abhängigkeit der Energiebegrenzungsklasse sorgen Leitungsschutzschalter für eine Begrenzung dieser Energie in unterschiedlicher Höhe.
Im Abschnitt 434.5 der DIN VDE 0100-430 (Errichten von Niederspannungsanlagen – Teil 4-43: Schutzmaßnahmen – Schutz bei Überstrom) sind Kenngrößen und Anforderungen für Schutzeinrichtungen zum Schutz von Leitungen bei Kurzschluss gegeben. Gemäß der Anmerkung 1 werden diese Anforderungen von Leitungsschutzschaltern mit der Energiebegrenzungsklasse 3 erfüllt.
Energiebegrenzungsklassen
Wie schon zuvor erwähnt, ist eine Begrenzung der Durchlassenergie entscheidend für die Beständigkeit der Isolation von Leitungen bei Kurzschluss und auch wichtig für die Koordination mit vor- und nachgeschalteten Schutzschaltgeräten bei der Betrachtung der Selektivität. Ein Leitungsschutzschalter kann den Strom in seiner Höhe nur bedingt begrenzen. Allerdings kann er die Stromflussdauer beeinflussen. Mit einem möglichst unverzögerten (in Bruchteilen einer Netzperiode) Ansprechen des Schutzschalters wird erzielt, dass der zu erwartende unbeeinflusste Kurzschlussstrom schnellstmöglich unterbrochen und dessen Scheitelwert nicht erreicht wird. Die Ausführung des magnetischen Schnellauslösers in Verbindung mit der Lichtbogen-Löscheinrichtung (Löschkammer mit Löschblechen) spielen dabei eine wichtige Rolle.
Für Leitungsschutzschalter mit der Energiebegrenzungsklasse 1 gibt es im Gegensatz zu Leitungsschutzschaltern mit der Energiebegrenzungsklasse 3 in der Produktnorm DIN EN 60898-1 keine Angaben von zulässigen Werten des Grenzlastintegrals I 2∙ t. Der Kurzschlussstrom wird dabei in einfacher Weise erst im nächsten Nulldurchgang unterbrochen (Nullpunktlöscher). Sie waren in den 1960er und 1970er Jahren weit verbreitet. Die Verwendung von Leitungsschutzschaltern mit der Energiebegrenzungsklasse 1 ist grundsätzlich nicht untersagt. Dennoch bieten sie im Vergleich zu Leitungsschutzschaltern mit der Energiebegrenzungsklasse 3 nur einen eingeschränkten Schutz für Leitungen bei Kurzschluss. Die Verwendung von Leitungsschutzschaltern mit der Energiebegrenzungsklasse 3 bewirkt die höchste Energiebegrenzung und vergleichsweise niedrige Werte der Durchlassenergie.
Fazit
In Deutschland fordern daher Netzbetreiber sowie auch Unternehmen wie z. B. die Deutsche Bahn in ihren Technischen Anschlussbedingungen, dass Leitungsschutzschalter nach DIN EN 60898-1 zum Schutz in Stromkreisverteilern mindestens ein Bemessungsschaltvermögen von 6 kA aufweisen müssen und der Energiebegrenzungsklasse 3 entsprechen müssen.
Autor
Günter Grünebast, Verantwortlich für Normung und Prüfung sowie stellvertretender Entwicklungsleiter bei der Firma Doepke Schaltgeräte, Norden.
Quelle und Bildquelle: www.elektro.net